Innenminister Fernández Díaz/ Foto: La Moncloa
ETA-Gefangene haben kein Recht auf eine europäische Richtlinien, die zu Haftverringerung führt. So sieht es die konservative, spanische Regierung unter Mariano Rajoy und so segnete es der Oberste Gerichtshof in Madrid am Dienstag ab. Die fragliche EU-Norm 675/2008 sieht vor, dass wer zu Hause eine Strafe verbüsst, die Haftjahre erlassen bekommt, die er bereits in einem anderen EU-Land abgesessen hat.
Für ETA-Häftlinge wird dies künftig nicht gelten. Drei ehemalige Führer der baskischen Separatistenorganisation müssen damit rechnen, dass sie in den kommenden Tagen erneut eingesperrt werden. Laut der baskischen Gefangenenhilfsorganisation Etxerat (Nach Hause) würden kurzfristig 56 Gefangene freikommen, würde die EU-Norm angewandt. ETA legte vor drei Jahren die Waffen endgültig nieder.
Die spanische Regierung zögerte die Aufnahme der EU-Norm in nationale Gesetzgebung sechs Jahre hinaus. Erst vergangenen Dezember wurde eine entsprechende Gesetzesreform vorgenommen. Dabei wurde eigens ein Paragraph eingeführt, der nur denjenigen Hafterleichterung gewährt, die nach 2010 – dem Stichtag der EU für die nationale Umsetzung der Norm – verurteilt wurden. Die meisten Etarras wurden zuvor verurteilt. Laut Presse sassen rund 200 der derzeit 460 ETA-Gefangenen bereits in Frankreich in Haft. Viele von ihnen wegen illegalem Waffenbesitz, da sie bewaffnet unterwegs waren und somit nicht sofort ausgeliefert, sondern zuvor in Frankreich abgeurteilt wurden.
Den Betroffenen bleibt jetzt nur die individuelle Klage bis hoch zum spanischen Verfassungsgericht. Sollten sie dort auch kein Recht bekommen, müssen sie vor den Europäischen Gerichtshof nach Straßburg. Spätestens dort dürfte ihre Klage Erfolg haben. Allerdings gehen derweilen Jahre ins Land. Jahre in Haft.
Während Spaniens Innenminister Jorge Fernández Díaz das Urteil des Obersten Gerichtshofes als „vernünftig“ feiert, kritisiert ein Sprecher der baskischen Autonomieregierung die Haftpolitik Madrids. „Wir stehen vor einer spanischen Regierung, die keine Staatspolitik des Zusammenlebens, der Wiedereingliederung kennt. Sie macht nur Innenpolitik und diese als medienwirksame Propaganda“, beschwert sich Jonan Fernández, der für die Aussöhnung nach dem Ende des bewaffneten Kampfes zuständig ist.
In Madrid schweigt sich die Opposition weitgehend aus. Sich für die Rechte von ETA-Gefangene einzusetzen, ist ausserhalb des Baskenlandes mehr als unpopulär. 2015 ist mit Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen ein Superwahljahr. Rajoys regierende Volkspartei (PP) weiss dies und nutzt die Politik in Sachen ETA.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierung Rajoy den ETA-Gefangenen elementare Rechte vorenthält. 2013 kippte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg ein Gesetz, nachdem ETA-Gefangene keinerlei Hafterleichterung erhalten und deshalb die höchstmögliche Haftdauer von 30 Jahren absitzen mussten.
Anfang der Woche wurden ausserdem 16 Mitglieder der Vereinigung der Angehörigen von ETA-Gefangenen festgenommen, darunter 12 Anwälte. Ihnen wird unter anderem „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ vorgeworfen. Ein baskischer Politiker der dies kritisierte, wurde am Dienstag vom Innenministerium wegen „Verherrlichung des Terrorismus“ angezeigt.
„Es ist als wenn jemand einmal mehr glaubt, dass es möglich ist ein bestimmtes Spiel zu spielen, als könnte man mit dem völlig wertlosen Knochen ETA eine Suppe für die Wahlen kochen“, analysiert eine der wenigen kritischen Stimmen, der ehemalige Sprecher des meistgehörten spanischen Radiosenders Cadena Ser, Iñaki Gabilondo, auf seinem Videoblog auf der Seite der meistgelesenen Tageszeitung, El País, die Politik Rajoys.