„Aufholjagd“, nennt Podemos – „Wir können“ – die bevorstehende Kampagne für die spanischen Parlamentswahlen am 20. Dezember. Die Umfragen sehen die Protestpartei, die von einer Gruppe rund um den 27-jährigen Politikprofessor Pablo Iglesias im Januar 2014 gegründet wurde, weit schwächer als noch vor wenigen Monaten. Lag sie nach dem Erfolg bei den Europawahlen im Mai vergangenen Jahres zeitweise auf Platz 1 in der Wählergunst, sehen sie die Meinungsforschungsinstitute nur noch auf Platz 3 oder Platz 4. „Wir waren immer vorsichtig mit den Umfragen, egal ob wir vorn lagen oder hinten“, erklärt Iglesias. Tatsächlich haben die Umfragen Podemos immer wieder deutlich unterschätzt.
Für Iglesias geht es ums Ganze. „Es sind die Wahlen, für die wir entstanden sind“, erklärt der junge Mann, der gerne in den Regierungspalast Moncloa einziehen würde. Podemos sieht sich als das politische Erbe der Bewegung der Empörten, den 15M, so benannt nach jenem 15. Mai 2011 als erstmals Hunderttausende unter dem Motto „Sie vertreten uns nicht“ und „Echte Demokratie jetzt!“ gegen Sparpolitik, Korruption und ungerechtes Wahlsystem auf die Straßen gingen. Wie der 15M will sich Podemos weder links noch rechts einordnen lassen. Bei Themen wie der Unabhängigkeit Kataloniens stellt sich die neue Partei bewusst zwischen Separatisten und Zentralisten und fordert eine Volksabstimmung, ähnlich wie in Schottland, macht aber gleichzeitig klar, dass sie für den Verbleib der rebellischen Nordostregion bei Spanien sind.
„Der gesunde Menschenverstand“ sei Richtlinie der Politik von Podemos; nicht nur in dieser Frage, sondern auch wenn es gegen Bankenrettung, Sozialkürzungen und als ungerecht empfundene Umverteilung der Schuldenlasten geht. Während die Mehrwertsteuer erhöht und Gehälter gesenkt wurden, hat weder die bis Ende 2011 regierenden Sozialisten noch die bis jetzt amtierende konservative Regierung der Volkspartei (PP) unter Mariano Rajoy Steuergeschenke für die Reichen angetastet. Mehr noch. Im Eilverfahren wurde von den beiden großen Parteien eine Schuldenbremse in die Verfassung geschrieben. Der Artikel 135 gibt Schuldenzahlung Vorrang vor allen anderen Staatsausgaben, auch denen im Sozialbereich. Die Folge: Im Bildungs- und Gesundheitswesen wurden Tausende von Stellen gestrichen, öffentliche Dienstleistungen privatisiert.
Bisher kann Podemos wichtige Erfolge vorweisen. Bei den Europawahlen holte sie aus dem Stand 8 Prozent. Im Frühjahr zog Podemos in alle Regionalparlamente ein und ist in mehreren Regionen Mehrheitsbeschaffer. Bürgerlisten in Großstädten wie Madrid, Barcelona, Cádiz, Zaragoza oder Compostela stellen die Gemeindeverwaltungen seit den Kommunalwahlen im vergangenen Mai. „Der Wandel beginnt in den Städten“, feiert Podemos dies und will jetzt auch bei den Parlamentswahlen eine entscheidende Rolle spielen.
Neben Podemos streiten 3 Parteien weitere Parteien um den Einzug in den Regierungspalast Moncloa. Der amtierende Ministerpräsident Rajoy würde gerne bleiben. Er kann auf die Unterstützung aus Brüssel und Berlin bauen. Der Chef der sozialistischen PSOE, Pedro Sánchez hofft auf eine Mehrheit entweder mit der aus Katalonien stammenden Partei Ciudadanos, die als eine Art „rechte Podemos“ ins Rennen geht oder mit Podemos selbst. Ciudadanos-Kandidat Albert Rivera glaubt auch an einen möglichen Sieg. Er profitiert von enttäuschten konservativen Wählern.
Iglesias will nur dann mit den Sozialisten paktieren, wenn Podemos diese an den Urnen überholt. „Nur dann ändert sich die Politik der Sozialisten“, begründet er dies. Madrid, wo die PSOE Bürgermeisterin Manuela Carmena von der Liste – Ahora Madrid – Jetzt Madrid – rund um Podemos die Geschicke der Stadt lenkt, dient ihm als Beweis. Carmena stoppt, wo immer es geht Zwangsräumungen von Wohnungen, hebt den Sozialhaushalt an, will privatisierte Dienstleistungen, wie Straßenkehrer und Parkpersonal in öffentliche Hand zurückführen. Die Sozialisten unterstützen sie dabei. Carmena ist damit, ähnlich wie die Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau, ein Aushängeschild für die „neue Politik“, die Podemos für ganz Spanien verspricht.