© 2015 Reiner Wandler

Bruch mit Spanien

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Katalonien ist seit gestern ganz offiziell auf dem Weg in die Unabhängigkeit. Das am 27. September gewählte Autonomieparlament der rebellischen Region im Nordosten Spaniens verabschiedete mit den Stimmen der beiden separatistischen Fraktionen – 62 Abgeordnete des Bündnis Junts pel Sí – Gemeinsam für das Ja (JxS) – und 10 der linken Kandidatur der Volkseinheit (CUP) – eine Resolution die den „Prozess zur Schaffung eines unabhängigen, katalanischen Staates in Form einer Republik“ einleitet. Binnen eines Monats sollen Gesetze für eigene Institutionen, wie die einer katalanischen Finanzbehörde und Sozialversicherung folgen. Der Text ruft zum „demokratischen Bruch“ mit Spanien und fordert die künftige katalanische Regierung auf, nach und nach den Gehorsam gegenüber Madrid zu verweigern. „Dieses Parlament und der Prozess werden sich nicht den Entscheidungen des Spanischen Staates (…) unterordnen”, heisst es. Die Resolution spricht dem spanischen Verfassungsgericht, das wohl ab Mittwoch über die Entscheidung der Katalanen beraten wird, jedwede Legitimität ab.

„Der Zeitpunkt, um aufs Ganze zu gehen, ist gekommen“, erklärte JxS-Fraktionssprecher Raül Romeva. „Der spanische Staat repräsentiert uns nicht“, fügte seine Kollegin von der CUP hinzu. Von den Oppositionsbänken hagelte es Proteste. Die zweitstärkste Kraft im neuen Parlament, die zentralistische rechtsliberale Partei Ciudadanos, die in Madrid regierende konservative PP und der katalanische Ableger der sozialistischen PSOE sehen in der Resolution einen „Rechtsbruch“. Sie wollen nichts unversucht lassen, um die Separatisten zu stoppen. Bereits vergangenen Woche zogen sie gemeinsam vors Verfassungsgericht, um die Abstimmung über die Resolution zu stoppen. Ohne Erfolg. Die hohen Richter sahen keine Handhabe, um im Voraus eine Parlamentsdebatte zu verbieten. Allerdings werden sie wohl ab Mittwoch über die Resolution beraten müssen. Denn die PP-Regierung in Madrid, unter Ministerpräsident Mariano Rajoy wird Klage einreichen.

Die Abstimmung im Parlament fand genau ein Jahr nach der selbstorganisierte Volksbefragung statt, bei der die Befürworter der Unabhängigkeit gewannen. Ein verbindlichs Referendum wie in Schottland gab es nicht, da Madrid dies untersagte. JxS und CUP traten deshalb bei den Wahlen am vergangenen September mit dem erklärten Willen an, im Falle eines Sieges den Weg in Richtung Unabhängigkeit zu beschreiten. Sie erzielten gemeinsam die absolute Mehrheit im Parlament, erreichten allerdings nur rund 48 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Befürworter eines Verbleibs bei Spanien sprechen den Separatisten deshalb jegliche Legitimität für eine Loslösung ab.

Nur Catalunya Sí que es Pot – Katalonien Ja man kann – die Liste rund um Podemos – verlangte gestern erneut ein Referendum und Dialog, um „den Zusammenstoss der beiden Züge“ zu vermeiden.

Am gestrigen Nachmittag begann die zweitätige Parlamentsdebatte zur Wahl einer neuen Regierung. Der bisherige katalanische Präsident Artur Mas stellte sich erneut zur Wahl. Die Einheit am Morgen war dahin. Denn die CUP will Mas – der als Nummer 4 auf der Liste von JxS kandidierte – nicht zum Präsidenten wählen. Seine bisherige Regierung zeichnet für Austeritätspolitik, verantwortlich, die der Rajoys in Madrid um nichts nachsteht. Ausserdem wird gegen mehrere Vertreter von Mas konservativ, separatistischen Partei Demokratische Konvergenz Kataloniens (CDC) wegen Korruption ermittelt. Die Partei soll regelmässig 3 Prozent der Kosten von öffentlichen Aufträgen eingestrichen haben, um sich zu finanzieren. Auch gegen den ehemaligen Präsidenten Kataloniens und CDC-Gründer Jordi Pujol und mehrerer seiner Kinder wird ermittelt. Sie sollen Dutzende Millionen Euro zur Seite geschafft haben.

Falls Mas, wie zu erwarten nicht zum Präsidenten gewählt wird, tritt das Parlament in der zweiten Wochenhälfte erneut zusammen. Fällt er auch da durch, werden JxS und CUP weiterverhandelt, um eventuell eine Alternative für Mas zu finden. Das Parlament hat bis zum 10. Januar Zeit, eine Regierung zu bilden. Im Falle eines endgültigen Scheiterns wird im März erneut gewählt./Foto: ANC

Was bisher geschah: