© 2014 Reiner Wandler

Autobahnen sind bankrott

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Nach der Bankenrettung kommt jetzt die Autobahnrettung. Spaniens konservative Regierung unter Mariano Rajoy wird neun Mautautobahnen in Staatseigentum überführen. Sie sind pleite. Dazu wird eigens eine Auffanggesellschaft – so eine Art Straßen-Bad-Bank – gegründet. Die Operation wird den Staat, je nachdem wer rechnet, zwischen drei und sechs Milliarden Euro kosten. Fünf der neun betroffenen Schnellstraßen befinden sich in der Region Madrid. Die Pleite der Betreiberfirmen zeugt vom endgültigen Scheitern eines Entwicklungsmodells, das auf die Bauwirtschaft setzte, und konservative Parteien in ganz Europa, darunter Merkels CDU von Spanien als Beispiel für gute Wirtschaftspolitik schwärmen ließ.

„Es ging darum ganze Regionen für die Bauindustrie zu erschließen“, sagt Paco Seguro, Verkehrsexperte der Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción. Ein Autobahnanschluss ließ Grundstücks- und Wohnungspreise bis zu 15 Prozent in die Höhe schnellen. In der Region Madrid entstand so unter der Regierung von José María Aznar und der ebenfalls konservativen Landesregierung Ende der 1990er Jahre fünf neue, sternförmig auf die spanische Hauptstadt zulaufende Schnellstraßen, und das obwohl die Region bereits über acht solcher Autobahnen verfügte. „Madrid wurde endgültig zu der Region Europas mit den meisten Schnellstraßenkilometern pro Einwohner“, weiß Seguro. Weltweit ist Madrid nur mit Los Angeles und Singapur zu vergleichen.

Die neuen Straßen kurbelten die Bauwirtschaft tatsächlich an. Im Boomjahrzehnt 1996 bis 2007 wurden pro Jahr zwischen 30.000 und 70.000 Baugenehmigungen für Wohnungen vergeben. Doch die Rechnung mit den Autobahnen ging nicht auf. Viele Wohnungen wurden als vermeintliche Investition gekauft. Jede zehnte Wohnung steht heute in der Region Madrid leer. Die neuen Straßen waren nie zu mehr als 40 Prozent ausgelastet. Jetzt in Zeiten der Krise sind es gar weniger als 20 Prozent. Die Einnahmen reichen nicht mehr, um die Kredite zu bedienen.

Für die Baufirmen – alle Großunternehmen des Sektors in Spanien sind vertreten – bleibt die Fehlinvestition dennoch ein rundes Geschäft. Denn meist gründeten sie eigene Tochtergesellschaften, die die Autobahnen in Auftrag gaben und betrieben. Die Bauunternehmen trieben die Baukosten in die Höhe und verdienten damit weit mehr als die übliche Gewinnspanne beim Straßenbau. Jetzt gehen die Betreiber bankrot. Das Mutterunternehmen behält die Gewinne. Die Banken sollen zu einem Schuldenschnitt von rund 50 Prozent bewegt werden. „Die Ermittlung von unzähligen Korruptionsfällen zeigen, dass die Partido Popular von Aznar und Rajoy von den Baufirmen ordentlich bedacht wurden“, erklärt Seguro.

Die Regierung Rajoy versucht das ganze Desaster als „gutes Geschäft“ für den Staat zu verkaufen. „Die Autobahnen haben gezeigt, dass sie mittel- bis langfristig ein hervorragendes Geschäft sind“, erklärt der zuständige Staatssekretär, als handle es sich um ein großzügiges Geschenk der Baufirmen und Banken.

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