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Gefangenen wollen nach Hause

Rund 70.000 Menschen demonstrierten am Samstag trotz Kälte und Regen im baskischen Bilbao für die „Menschenrechte der Gefangenen“. Die Demonstranten, die dem Aufruf eines breiten Bürgerbündnisses gefolgt waren, wollen, dass die 265 in Spanien inhaftierten Mitglieder und Sympathisanten der baskischen Separatistenorganisation ETA in Gefängnisse in Heimatnähe verlegt werden. „Ich klage an“ hieß das diesjährige Motto der Demonstration für die Gefangenen, die seit Jahren im Januar stattfindet. Hinter dem Transparent mit der Aufschrift „Baskische Gefangene in Baskenland. Menschenrechte, Lösung, Friede“ versammelten sich Angehörige von gefangenen, Ex-Häftlinge, Anwälte, Künstler bis hin zu Rosa Rodero, Witwe des Gründers der Anti-Terror-Spezialeinheit der baskischen Polizei, der von ETA ermordet wurde. Unter den Teilnehmern befanden sich Politiker verschiedner nationalistischen Parteien und von Podemos, sowie Vertreter der beiden großen nationalistischen, baskischen Gewerkschaften. Insgesamt sitzen 346 ETA-Mitglieder und Sympathisanten in Haft. Neben Spanien verbüssen weitere 76 in Frankreich Strafen oder U-Haft. Fünf weitere ETArras sitzen in anderen europäischen Ländern und Mexico ein.

„Wir wollen, dass der Staat das geltende Recht erfüllt“, erklärte Rodero zu Beginn der Demonstration. Und die Fraktionssprecherin der linksnationalistischen Partei EH Bildu im baskischen Parlament, Maddalen Iriarte forderte die Befürworter der Zerstreuung auf, „in die Augen der Mütter und Väter der Gefangenen zu schauen, um ihnen zu sagen, dass sie auch bestraft mit Tausenden von Kilometern an Reisen bestraft werden müssen, wenn sie ihre geliebten Angehörigen in die Arme schließen wollen.“

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Seit über 25 Jahre verweigert die spanische Justiz den Gefangenen das im spanischen Strafvollzug festgeschriebene Recht auf heimatnahe Haftverbüssung. 81 Prozent der Gefangenen sitzen – so die Angehörigen – in Haftanstalten ein, die weiter als 500 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt sind. Die Angehörigen müssen für die wöchentlichen Besuche lange Reisen auf sich nehmen. Immer wieder verunglücken Angehörige bei diesem regelmässigen Fahrten. Die Politik der „Zerstreuung“ wurde von der Regierung des Sozialisten Felipe González eingeführt, um Druck auf ETA und Umfeld auszuüben. Die Angehörigen beklagen sich seither, dass die Gefangenen Geiseln in Händen des Staates seien.

ETA, die seit den 1960er Jahren laut Angaben der Justiz über 800 Menschen ermordet hat, legte vor etwas mehr als vier Jahren die Waffen endgültig nieder, doch an der Politik gegenüber den Gefangenen hat sich nichts geändert. Die spanische konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy unternahm bisher nichts, um auf ETA zuzugehen. Selbst das Angebot die Übergabe der Waffen auszuhandeln, ignoriert Madrid.

Kurz vor Weihnachten wurden in Südfrankreich bei einer gemeinsamen Aktion der französischen und spanischen Polizei fünf Personen in einem Waffenversteck von ETA verhaftet. Die Presse berichtete von einem „legalen“ ETA-Kommando. Wenig später machte die baskische Regierung öffentlich, um wen es sich tatsächlich handelte. Es waren fünf Friedensaktivisten, die die Waffen vernichten sollten: eine Journalistin, der ehemalige Vorsitzende der baskischen Landwirtschaftskammer, zwei bekannte Umweltschützer, ein Winzer sowie ein Kameramann, der die Aktion filmen sollte. Sie sind jetzt des illegalen Waffenbesitzes im Zusammenhang mit einem terroristischen Unternehmen“ angeklagt.

Was bisher geschah: