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Hoffen auf späte Antworten

Bei den Angehörigen der Opfer des schwersten Flugzeugunglücks der spanischen Armee kommt Hoffnung auf. Die konservative Verteidigungsministerin María Dolores de Cospedal traf sich am Dienstag mit ihnen. Knapp 14 Jahre nach dem Absturz der in der Ukraine angemieteten Truppentransportes am 26. Mai 2003 im türkischen Trabzon versprach sie, das Unglück auf dem Rückflug aus Afghanistan, bei dem 62 Soldaten, 12 ukrainische Besatzungsmitglieder sowie ein weiterer Passagier aus Weißrussland ums Leben kamen, genau zu untersuchen. Bisher hatte die Regierung den Fall für abgeschlossen erklärt.

Der Grund für Cospedals Meinungswandel: Der Staatsrat – das oberste Beratergremium der spanischen Politik – hat festgestellt, dass „Tatsachen vor dem Unglück es möglich machten, dass die Verwaltung das spezielle Risiko des Truppentransports hätte einschätzen können“. Die abgestürzte Yakulev 42 hätte nie eingesetzt werden dürfen. Cospedal „akzeptiert den Bericht“. Erstmals geben die Konservativen, die 2003 wie auch heute regierten, damit indirekt eine Mitverantwortung am Unglück zu.

Bereits vor dem Absturz hatten sich Soldaten immer wieder erfolglos über den schlechten Zustand der ukrainischen Maschinen beschwert. Unter anderen schlossen bei einem Flugzeug die Türen nicht richtig. Die Besatzung goss Wasser in die Fugen, das dann gefror. So konnte der Kabinendruck aufgebaut werden. Die Regierung suchte dennoch die Ursache für das Unglück in „menschlichem Versagen“.

Der Absturz kam zu einem denkbar ungünstig Zeitpunkt. Spaniens Truppen waren nicht nur in Afghanistan sondern auch im Irak. Zuhause gab es Massenproteste. Regierungschef José María Aznar und Verteidigungsminister Federico Trillo taten alles um den Vorfall so schnell wie möglich zu den Akten zu legen. In nur 60 Stunden wurden die sterbliche Überreste aus der Türkei nach Spanien überführt, geehrt, den Familien übergeben und beigesetzt. Die Dienstplaketen der Soldaten hätten eine Identifizierung in Rekordzeit ermöglicht. Die für die Rückführung verantwortlichen Offiziere wurden umgehend befördert.

Wenige Monate später kam dann die schreckliche Wahrheit: Auf einer Reise nach Trabzon stießen die Angehörigen an der Unfallstelle auf mehrere Erkennungsmarken, andere wurden ihnen von einem Imam übergeben, dessen Gemeindemitglieder sie ebenfalls in den Bergen gefunden hatten. Ein türkischer Anwalt deckte auf, dass die spanische Armee 30 völlig verstümmelte Leichen mitgenommen hatte, ohne dass die türkischen Behörden Zeit gehabt hätten, sie zu identifizieren. In Spanien wurden die Gräber geöffnet. In einem fand sich eine Leiche mit drei Füssen, im Grab eines schwarzen Offiziers lag ein weisser Leichnam …

Die Angehörigen gingen vor Gericht. Die PP – mittlerweile in der Opposition – bezahlte den betroffenen Offizieren die Anwälte mit Geldern aus illegalen Parteispenden. Minister Trillo, einflussreiches Mitglied der katholischen Geheimsekte Opus Dei, wurde vom jetzigen konservativen Regierungschef Mariano Rajoy, der zur Zeit des Absturzes Vize-Regierungschef war, als Botschafter nach London geschickt.

Alle Verfahren gegen das Verteidigungsministerium waren erfolglos. Viele Fragen bleiben so bis heute offen. Die Miete der Yak-42 belief sich offiziell auf 149.000 Euro. Doch die Fluggesellschaft kassierte nur 38.500 Euro. Der Rest ging angeblich an Vermittlungsagenturen. Doch alle Verträge aus jener Zeit sind nicht mehr auffindbar. Nur ein Dokument bekamen die Angehörigen in die Hände. Betrag und ein Teil der Vertragsbedingungen waren darauf unkenntlich gemacht.

Cospedal versprach den Angehörigen jetzt „auf Land, Meer und in der Luft“ zu suchen, machte aber gleichzeitig klar, dass selbst die sozialistische Regierung unter Jose Luis Zapatero, die zwischen Aznar und Rajoy regierte, „unter den Teppichen im Ministerium“ gesucht habe, ohne die Verträge zu finden.

Was bisher geschah: