Das Internationale Presse Institut (IPI) zeigt sich besorgt angesichts „offensichtlicher Gefahren für den freien Fluss der Informationen im Interesse der Öffentlichkeit“ in Spanien. Im jetzt veröffentlichten Abschlussbericht einer Reise nach Madrid und in verschiedene Regionen unter dem Titel „Spanien: Pressefreiheit in einem Moment des Wandels“ ist viel von „mangender Transparenz“ der Institutionen, von „Regierungseinfluss“ auf das öffentlichen Rundfunk- und Fernsehen und von „Rechtsunsicherheit für die Journalisten“ die Rede. Spanien müsse sich an „den Standards seiner europäischen Nachbarn“ messen lassen und halte diesem Vergleich nicht stand.
Das IPI besteht seit Anfang der 1950er Jahre. Mittlerweile gehören dem Institut mit Sitz in Wien Journalisten, Medienschaffende und Verleger aus 120 Ländern an. Das IPI untersucht regelmässig die Lage der Pressefreiheit in einzelnen Ländern. Im Falle Spaniens schlossen sich dem IPI mehrere heimische Journalistengewerkschaften sowie der Europäische Journalistenverband (FEP) an.
„Die jüngsten Reformen des Strafgesetzbuches hinsichtlich der Meinungsfreiheit und des Demonstrationsrechtes sowie die parteipolitische Nutzung des öffentlichen Rundfunk und Fernsehens RTVE sind eher mit dem Modell des ungarischen Regierung unter Viktor Orban vergleichbar, als mit anderen europäischen Ländern“, urteilt Paco Audije, ehemaliger Nachrichtenredakteur bei RTVE und jetzt Vorstandsmitglied des Europäischen Journalistenverbandes (FEP) und als solches eines der Missionsmitglieder des IPI.
Der Abschlussbericht kritisiert vor allem das im Juli in Kraft getretene „Gesetz zur Sicherheit der Bürger“. Vergehen im Rahmen von Protestaktionen, die bisher vor Gericht angezeigt werden mussten, werden nun direkt von der Polizei als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern von bis zu 600.000 Euro geahndet. Darunter fallen unter anderem die Veröffentlichung von Bildern und Videos von Polizeieinsätzen bei Demonstrationen. Wer die Anweisungen eines Polizeibeamten ignoriert oder wer gegen Polizei, den Staat und seine Vertreter und Symbole twittert oder bloggt, kann mit Geldstrafen von bis zu 30.000 Euro rechnen. „Das stellt eine ausserordentliche Gefahr für die Presse und Meinungsfreiheit dar“, heisst es im Bericht.
Ausserdem wurde im Rahmen einer Reform des Antiterrorgesetzes die Weitergabe von geschützten Informationen – a la Snowden – als terroristische Akt definiert. Das IPI steht mit seiner Kritik nicht alleine. Die UN-Kommission für Menschenrechte verurteilt das neue Sicherheitsgesetz in einem Spanien-Bericht ebenfalls.
Noch nie stand es um den öffentlichen Rundfunk und Fernsehen RTVE so schlecht wie heute. Als der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy Ende 2011 die Wahlen gewann, änderte er mehrere Gesetze. Seither ist für die Ernennung des RTVE-Direktors durch das Parlament keine Zwei-Drittel-Mehrheit mehr nötig. Es reicht die einfache Mehrheit. Rajoys PP hat damit freie Hand. Der von den Mitarbeitern gewählte Redaktionsrat der Nachrichtenabteilung bei RTVE beschwert sich immer wieder über die Berichterstattung. „Unparteilichkeit, Pluralismus, Wahrheitstreue und Objektivität werden immer mehr verletzt“, erklärt der Präsident des Redaktionsrates Alejandro Caballero. RTVE sei zu „einem Propagandainstrument im Dienste der Regierung, verkommen, beschwert er sich.
Die Opposition bekommt immer weniger Sendezeit in den Nachrichten. Proteste wie die der Katalanen für Unabhängigkeit oder unbequeme Parteien wie die neue Podemos werden weitgehend verschwiegen. Der Rat der Nachrichtenredaktion zog deshalb vor die EU-Kommission, um dort ganz offiziell Beschwerde gegen Rajoys Politik einzureichen.
Ein Gesetz zur Gründung eins unabhängigen Fernsehrates zur Überwachung der öffentlichen und privaten Sender, das noch Rajoys Vorgängerregierung beschloss, wurde ausser Kraft gesetzt. Selbst neue Sendelizenzen werden von einer Regierungsbehörde vergeben. Medienunternehmen, die Rajoy unbequem erscheinen, gehen leer aus. Das gilt auch für die Vergabe von öffentlicher Werbung.
„Die Einschnitte in die Informations- und Meinungsfreiheit unter Ministerpräsident Rajoy stellen ein echte Gefahr dar, vor allem falls er im Dezember die Wahlen erneut gewinnt“, erklärt Missionsmitglied Audije. Die Regierung freilich will von der Kritik nichts wissen. „Wir haben keine einzige Massnahme zur Einschränkung der Meinungsfreiheit ergriffen“, reagiert der Sprecher der konservativen Parlamentsfraktion Rafael Hernando kurz und bündig auf die Ergebnisse der IPI-Mission.