© 2013 Reiner Wandler

Enteignung gegen Zwangsräumung

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Überglücklich schwenkt María del Carmen Andújar das Symbol gegen die Zwangsräumungen von Wohnungen. „Ja wir können!“ steht auf dem grünen Pappschild zu lesen. Die Mutter zweier Jugendlicher – 15 und 17 Jahre – und ihr Ehemann, hatten soeben erfahren, dass die Regionalregierung im südspanischen Andalusien ihre Zwangsräumung gestoppt hatte. Es war das erste Mal, dass die Koalition der sozialistischen PSOE und der postkommunistischen Vereinigten Linken (IU) ein im September verabschiedetes Gesetz über die „soziale Nutzung von Wohnraum“ anwenden.

Anstatt die Familie, die mit ihren Ratenzahlungen in den Rückstand geraten ist, auf die Straße zu setzen, wurde der Besitzer der Wohnung in der Stadt Huelva, ein Spekuklationsfond, der unsichere Kreditverträge von der größten spanischen Kasse, der katalanischen Caixa aufgekauft hat, für drei Jahre enteignet. „Das gibt uns Luft“, jubelt Andújar. Sie verdient monatlich 420 Euro, ihre Kinder und ihr Mann sind arbeitslos. Die Stütze für ihren Gatten – 400 Euro pro Monat – läuft im Januar aus. Jetzt hofft Andújar, die fortan 25 Prozent ihres Einkommens als Sozialmiete abführen muss, dass sich in den kommenden drei Jahren die Situation der Familie verbessert und die dann die Ratenzahlung wieder aufnehmen kann.

„Es wäre eigentlich die Aufgabe der Zentralregierung gewesen, für Gerechtigkeit zu sorgen und ein Gesetz zu erlassen, dass Schuldenfreiheit bei Rückgabe der Wohnung ermöglicht“, verteidigt die Präsidentin der andalusischen Autonomieregierung, Susana Díaz Pacheco, die Enteignung. In vielen Ländern ist dies der Fall. Nicht so in Spanien. Wer die Wohnung verliert bekommt nur einen Schätzwert von seinen Schulden abgezogen. Bleibt ein Rest – was dank der geplatzten Spekulationsblase fast immer der Fall ist – muss diese Differenz weiter abbezahlt werden. 400.000 Zwangsräumungen zählen die Betroffenenorganisationen seit Beginn der Krise 2007. Die Opfer sitzen auf der Straße und sind dennoch hoch verschuldet. Die Konservativen unter Mariano Rajoy, die in Madrid regieren, haben bisher daran nichts wesentliches geändert.

Es ist bereits das zweite andalusische Gesetz, dass Familien vor der Ausgrenzung durch Wohnungsverlust schützen soll. Das erste vom vergangenen April wird derzeit auf Antrag der konservativen spanischen Zentralregierung vor dem Verfassungsgericht verhandelt. Gestern, am Tag nach der Enteignung von Huelva, wurden Stimmen laut, die auch das neue Regionalgesetz stoppen wollen.

Auch aus Brüssel kommt immer wieder Stimmen am andalusische Gesetz. Es könnte dem Wohnungsmarkt und den Banken schaden, befürchtet die EU. Zuletzt erklärte der wirtschaftspolitische Sprecher der EU-Kommission, Simon O’Connor dass die Troika aus Kommission, Zentralbank und dem Internationalen Währungsfond überprüfen werde, in wie weit das Gesetz mit der Bankenrettung vereinbar sei, für die Spanien 100 Milliarden Euro bereitgestellt bekommen hat.

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Meine Meinung

Angst vor Alternativen

„Ja wir können, aber sie wollen nicht!“ schreibt sich die Bewegung gegen die Zwangsräumung von Wohnungen auf die Fahne. Und sie behält Recht. Dass es tatsächlich eine Alternative zur üblichen unsozialen, neoliberalen Politik gibt, zeigt das Gesetz der andalusischen Regionalregierung, das es ermöglicht, Banken und Fonds vorübergehend zu enteignen, um so zu verhindern, dass sozialschwache Familien aus der Wohnung verwiesen werden und hochverschuldet auf der Straße landen. Madrid schreit auf und Brüssel auch.

Längst haben nicht nur konservative Politiker verinnerlicht, dass nichts getan werden darf, was die Märkte – sprich die Finanzinstitute und Spekulationsfonds – auch nur ein bisschen beunruhigen könnte. Es sind die Wünsche der Banker und die Troika, die die Politik bestimmen. Die Politiker eigentlich dazu gewählt zu gestalten, verwalten nur noch.

Obwohl dies auch für die Regierungen der reichen EU-Länder gilt, ist diese Entwicklung im ärmeren Süden noch deutlicher zu sehen. IWF und EU debattieren offen darüber, wie weit die Löhne sinken müssen, damit Spanien wettbewerbsfähig wird. Madrid wird dazu angehalten alles zu privatisieren, was Geld bringen könnte. Dies macht selbst vor Schulwesen und Gesundheitssystem nicht halt. Die Rentenreform wird ebenso in Brüssel geschrieben, wie Steuererleichterungen für Wohlhabende. Während Spaniens Mehrheit verarmt nahm im letzten Jahr die Zahl der Millionäre im Land um 13,2 Prozent zu.

Eine mutige Linkskoalition, wie die in Andalusien stört dabei nur. Denn sie zeigt Alternativen auf, gibt Beispiele, die Schule machen könnte. Nicht nur den Konservativen, auch so manchem Sozialdemokraten in Europa wird es dabei schwindelig. Sie trauen sich nicht einmal mehr im Schlaf von ganz einfachen Schritten gegen die Bankenallmacht zu träumen. Bestes Beispiel ist die deutsche SPD, die lieber mit Merkel die Bankenpolitik weiterverfolgen will, als mit einem Linksbündnis nach Alternativen zu suchen. „Ja wir können, aber sie wollen nicht!“

Was bisher geschah: