© 2010 Reiner Wandler

Künstler gegen Straffreiheit

„Ich heiße Virgilio Leret Ruiz. Ich bin Chef der Luftwaffe im Osten von Marokko. Ich weigere mich, am Putsch teilzunehmen und im Morgengrauen des 18. Juli 1936 machen mich meine Kameraden zum ersten Soldaten, der ermordet wird, weil er seine Pflicht erfüllt, ohne Gerichtsverfahren, ohne Anwalt, ohne Urteil. Meine Töchter suchen mich bis heute. Wie lange noch?“ rezitiert Spaniens Starregisseur Pedro Almodóvar. Mit zehn weiteren Künstlern tritt er in einem Video auf. 15 Einzelschicksale werden erzählt. Es sind 15 von über 100.000, die im spanischen Bürgerkrieg (1936 bis 19939) und in den Nachkriegsjahren den faschistischen Säuberungswellen zu Opfer fielen.

„Ich helfe den Genossen, die sich in den Bergen versteckt halten. (…) Ich werde zusammen mit meinem Neffen verhaftet. Sie holen mich vom Lkw. Zwei Männer vergewaltigen mich vor seinen Augen. Danach erschießen sie mich und verscharren meinen Leichnam …“ – „Der Dorfpfarrer zeigt mich an, weil ich nicht kirchlich getraut bin. Ich werde exkommuniziert, dann scheren sie mich kahl und erschießen mich zusammen mit 16 weiteren Frauen …“ – „Ich bin Lehrerin in der Dorfschule. Ich werde verhaftet und erschossen. Mein Mann, ebenfalls Lehrer, erkundigte sich nach mir. Er wird ebenfalls verhaftet und 24 Stunden später erschossen.“

Almodóvar, Hollywood-Schauspieler Javier Bardem, sein Kollege, Juan Diego Botto, Altrocker Miguel Rios und Schriftstellerin Almudena Grandes sind die international Bekanntesten unter den 11 Künstlern. „Das ist keine politisches Anliegen, sondern eine humanes. Spanien darf nicht vergessen, welche Schuld das Land gegenüber Tausenden von Familien hat“, erklärt Almodóvar, warum er am Video teilnahm.

Die Idee entstand, nachdem Richter Baltasar Garzón, der sich erstmals traute, die Verbrechen der Truppen von Diktator Francisco Franco zu untersuchen, selbst Opfer gerichtlicher Ermittlungen wurde. Garzón soll, so die Klage vor dem Obersten Gerichtshof Spaniens, der Rechtsbeugung schuldig sein. Denn die Verbrechen im Bürgerkrieg seien längst amnestiert worden. Diese Rechtsauslegung widerspricht allen internationalen Normen, denen zufolge Verbrechen gegen die Menschlichkeit weder verjähren noch amnestiert werden können.

„Der Kurzfilm treibt hoffentlich nicht nur den Richtern, die einen ihrer Kollegen verfolgen, weil er Verbrechen aufklärt, die Schamesröte ins Gesicht“, erklärt Emilio Silva, Vorsitzender der Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung. „Er bringt sie hoffentlich auch dazu, etwas zu tun. Denn das was am Obersten Gerichtshof passiert, tötet die Demokratie.“

Was bisher geschah: