© 2013 Reiner Wandler

Pressefotografen im Visier der Polizei

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„Ich war noch im Schlafanzug, als uniformierte Polizisten und vermummte Staatsschützer in meine Wohnung eindrangen“, berichtet der spanische Pressefotograf Raúl Capín von seiner Festnahme am vergangenen Mittwoch. Zur gleichen Zeit wurde auch sein Kollegen und Freund Adolfo Luján abgeholt. Die Beiden, die seit Jahren für verscheidenen Medien, wie die kommunistische „Mundo Obrero“, Newsseiten im Internet, sowie die Agentur Corbis über sozialen Proteste berichten, wurden mehr als 24 Stunden festgehalten und von Vermummten verhört. „Die normale Verfahrensweise sieht vor, dass ein Richter Beschuldigte vorlädt, anstatt dass vermummte Beamte in der Wohnung aufzutauchen“, beschwert sich der Anwalt Capíns, Rafael Mayoral.

Der Vorwurf der Polizei: Capín habe im Februar und April bei Protesten vor dem Parlament Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet. Luján wird der Verleumdung der Staatsmacht beschuldigt. Er veröffentlichte auf seiner Facebookseite Fotos, die zeigen, wie eingeschleuste Zivilpolizisten aufseiten der Demonstranten gewalttätige Aktionen anzetteln.

Es war die Chronik einer angekündigten Verfolgung. Im April veröffentlichten die beiden regierungsnahen Tageszeitungen ABC, La Razón und El Mundo Artikel mit der Behauptung „Gewalttäter“ würden sich als Journalisten verkleidet unter die Demonstranten mischen. Bebildert waren die Texte mit Fotos, die Capín bei der Arbeit in vorderster Front zeigen. Gewalttätig ist er dabei nicht.

Für Capín hat die Anschuldigung, Journalisten seien verkleidete Aktivisten einen ganz klares Ziel. „Sie wollen vor allem kleine, unabhängige Medien einschüchtern“, erklärt der Fotograf nach seiner Freilassung. „Sie interessierten sich viel mehr für unsere Fotos, für wen wir arbeiten und was wir fotografieren, als für die offiziellen Anschuldigungen“, fügt Luján hinzu.

Die Verhaftung der beiden Fotografen ist der bisherige Höhepunkt von Polizeiübergriffen gegen Fotografen, die Sozialproteste begleiten. Für Capín endete ein Protestmarsch der Bergarbeiter vergangenen Sommer mit einer Platzwunde am Kopf, hervorgerufen durch einen Schlagstock.

Die zeitaufwendige Personalienfeststellung gehört für Journalisten bei Protestaktionen längst zum Alltag. Bei Protesten gegen Zwangsräumungen wurde der Fotograf der internationalen Agentur Getty festgehalten. Einem Kollegen von AP wurden die angedrohten 1.500 Euro Bußgeld wegen „Teilnahme an einer nichtangemeldeten Versammlung“ erst dann annulliert, als sich spanische Berufsverbände bei den Behörden beschwerten.

Ein anderer Fotograf berichten, wie er unter Gewaltandrohung gezwungen wurden, die Speicherkarte zu löschen. Die Beamten nahmen dem Freelancer die weiße Weste mit der Aufschrift „Presse“ ab, wie sie der größte spanische Journalistenverband FAPE an seine Mitglieder ausgibt.

Das Fehlen genau dieser Weste wurde dem Autor dieser Zeilen mehrmals vorgehalten. So wurde er bei einer Kundgebung vor dem Sitz der regierenden konservativen Volkspartei von Ministerpräsident Mariano Rajoy trotz gültigem Korrespondentenausweis unsanft aus dem Kreis der Fotografen verbannt und auf die Seite der Demonstranten abgeschoben. Dabei ist die Weste – so das Presseamt der Regierung – keine Pflicht. „Du bist Aktivist und nicht Journalist“, musste er sich anhören, unmittelbar nachdem er einige Bekannte aufseiten der Demonstranten begrüsst hatte.

Mehr als 3.000 Demonstrationen fanden 2012 alleine in Madrid statt. Mit Zunahme der Proteste wächst auch die Zahl der Freelancer, die berichten. Viele von ihnen arbeiten für Medien im Internet und gehören nicht dem Journalistenverband FAPE an.

„Viele Kollegen verdienen nicht genug, um sich den Beitrag leisten zu können“, erklärt Olmo Calvo Rodríguez, der für die links-alternative Zeitung Diagonal arbeitet. In Spanien gibt es anders als in Deutschland – keinen offiziellen Presseausweis. Wer einen hat, bekommt ihn von seiner Gewerkschaft, dem Berufsverband oder direkt von seinem Auftraggeber. „Wer beschließt, was eine Medium ist und was nicht? Die Informationsfreiheit muss für alle gelten, auch für unabhängige Internetseiten“, erklärt der für seine Reportagen über Zwangsräumungen preisgekrönte Calvo, der immer wieder Opfer von Polizeiübergriffen wird. „Regierung, die ihr nahestehende Presse und die Polizei versuchen mit der Repression gegen Fotografen die Proteste zu vertuschen“, ist er sich sicher.

Was bisher geschah: