Knapp 17 Jahre war Josu Ternera auf der Flucht. Jetzt, am frühen Donnerstagmorgen ging der 68-Jährige, der bei der baskischen Separatistenorganisation ETA für Politik zuständige war, den Ermittlern in Sallanches, einer Gemeinde in den Alpen, ins Netz. Ternera lebte unter falscher Identität in Frankreich. Die Operation wurde von der französischen Polizei und der spanischen Guardia Civil gemeinsam vorbereitet und durchgeführt. Josu Ternera war das meistgesuchte ETA-Mitglied. Insgesamt soll ein weiteres Dutzend Etarras auf der Flucht sein. Laut baskischer Presse wurde Ternera festgenommen, als er auf dem Weg ins Krankenhaus war. Er soll an Krebs erkrankt sein.
Der 68-jährige Ternera, der mit bürgerlichem Namen José Antonio Urrutikoetxea Bengoetxea heißt, machte bereits einmal mit dem Gefängnis Bekanntschaft. Er wurde 1990 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Hinter ihm lagen damals schon 19 Jahre im Untergrund. Ternera hatte an mehreren Überfallen teilgenommen, mit denen ETA Geld, Waffen und Sprengstoff erbeutete. Schließlich übernahm Ternera innerorganisatorische Leitungsaufgaben, zuerst im militärischen und dann im politischen Apparat. Von 1998 bis 2002 gehörte er dem baskischen Parlament als Abgeordneter an.
Als die Justiz erneut Ermittlungen gegen ihn aufnahm und ihm dieses Mal mit einem Anschlag auf eine Kaserne in Verbindung brachte, bei dem zwölf Menschen ums Leben kamen, setzte sich Ternera ab und übernahm kurz darauf erneut den politischen Apparat der Untergrundorganisation. Eine Zeitlang hielt er sich in Norwegen auf. Von dort soll er erste Initiativen ergriffen haben, die schließlich zu einem endgültigen Waffenstillstand und anschließend zur Auflösung ETAs führten.
Es war Ternera höchstpersönlich, der am 3. Mai 2018 per Videobotschaft bekannt gab, dass ETA „ihre Strukturen komplett auflöst“. Es war das Ende von mehr als 50 Jahren bewaffneten Kampfes für die Unabhängigkeit des Baskenlandes, der über 800 Tote gefordert hatte. Zur Zeit der Auflösung, war Ternera das ranghöchste ETA-Mitglied auf freiem Fuss. Bereits in den 1980er und 1990er Jahren gehörte Ternera zu denen, die eine Verhandlungslösung mit der spanischen Regierung anstrebten.
Spaniens amtierender Regierungschef, der Sozialist Pedro Sánchez lobte er die Guardia Civil für ihre Arbeit und schickte an die Familien der ETA-Opfer per twitter „eine Umarmung“. Der konservative Oppositionschef Pablo Casado bezeichnete die „Festnahme des blutrünstigen Josu Ternera“ als eine „großartige Nachricht“.
Die Verbände der Opfer von ETA verlangen, dass Josu Ternera, dem nie eine direkte Beteiligung an Anschlägen mit Todesopfern nachgewiesen werden konnte, wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ belangt wird. Spanien müsse deshalb die sofortige Auslieferung beantragen.
Selbst wenn die spanische Justiz dem nachkommen sollte, wird es Jahre dauern bevor Ternera einen spanischen Richter zu Gesicht bekommt. Erst einmal muss er eine achtjährige Haftstrafe in Frankreich verbüssen. Er wurde in Paris in Abwesenheit wegen seiner Führungsposition in ETA verurteilt. Sollte er das Urteil nicht anerkennen, muss die französische Justiz das Verfahren wiederholen.