Es könnte das Ende des Traums vom alternativen, selbstbestimmten Leben sein. Sechs Bewohner von Fraguas – einem vor 50 Jahren verlassenen und seit 2013 besetzten Dorf 100 Kilometer nordöstlich der spanischen Hauptstadt Madrid – wurden am Mittwoch in zweiter und letzter Instanz zu 18 Monaten Haft verurteilt. Ausserdem müssen sie gemeinsam 16.380 Euro Bussgeld bezahlen, sowie die wiederaufgebauten Gebäude erneut dem Erdboden gleich machen und die Trümmer entsorgen. Das wird – so eine Schätzung der Regionalregierung von Castilla – La Mancha, die gegen die Siedler geklagt hat, – mit mindestens 30.000 Euro zu Buche schlagen.
Der Grund für das Urteil: Die Siedler von Fraguas, die seit 2013 alles kollektiv entscheiden und vom ökologischen Landbau leben, hätten sich „öffentliches Waldgebiet angeeignet“. Das Gelände gehört der Region Castilla – La Mancha und liegt im Naturpark Sierra Norte in der Provinz Guadalajara. Das Dorf wieder aufzubauen verstoße gegen die „Ordnung des Territoriums“. Die ursprünglichen Bewohner wurden vor 50 Jahren zur Zeiten der Franco-Diktatur vertrieben. Das Dorf diente bis hinein in die 1980er Jahre für Militärübungen.
„Das Gericht verurteilt uns, weil wir öffentliches Waldgebiet besetzt haben. Das ist Unsinn. Fraguas war und ist ein Dorf“, erklärt einer der sechs Verurteilten, Gonzalo Aracil (34). Tatsächlich wurde das Vergehen gegen die Ordnung des Territoriums ins Strafgesetzbuch aufgenommen, um illegale Bauvorhaben und Spekulation zu verfolgen.
„Wenn die Regierung von Castilla La Mancha wirklich so über die Landflucht besorgt ist, wie sie behauptet, dürften sie uns nicht verfolgen“, sagt Aracil. Große Teile der Provinz Guadalajara zu der Fraguas gehört, sowie die anliegenden Provinzen Soria und Teruel weissen weniger Bevölkerungsdichte auf als Lappland. Das Urteil betrifft nur die sechs, die 2013 anfingen. Mittlerweile leben je nach Jahreszeit 15 bis 20 junge Menschen in wiederaufgebauten Häusern und Wohnmobilen. Die ursprünglichen Bewohner von Fraguas unterstützen die Neusiedler.
„Wir verstehen nicht, warum unsere Anwesenheit nicht mit dem Naturpark vereinbar ist“, erklärt Aracil. In der Sierra Norte de Guadalajara liegen neben Fraguas 35 weitere Dörfer, drei davon waren vorübergehend völlig verlassen und wurden dann wiederbelebt. Der Naturpark besteht zum Großteil aus mit nicht heimischen Fichten wieder aufgeforsteten Wäldern. Militärübungen dürfen in der Gegend nach wie vor abgehalten werden. Jetzt soll sogar das Wasser verschiedener Bäche per Betonleitungen in landwirtschaftlich reichere Gebiete überführt werden.
Gegen das Urteil kann keine erneute Berufung eingelegt werden. „Wir haben alle Rechtsschritte ausgeschöpft“, erklärt Aracil. Jetzt bleibe nur noch der Weg zum Verfassungsgericht, um dort um Schutz vor einem ungerechten Urteil zu bitten. Doch überhaupt Gehör zu finden, ist nicht leicht. Die Verfassungsrichter lassen nur rund 3 Prozent solcher Gesuche überhaupt zur Überprüfung zu. „Wir werden dennoch alles tun, um in Fraguas zu bleiben“, beteuert Aracil.