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Vorübergehender Entzug des passiven Wahlrechts

Der Ermittlungsrichter am Obersten Gerichtshof Spaniens, Pablo Llarena, schloss am Dienstagnachmittag sein Ermittlungsverfahren gegen die ehemalige katalanische Regierung um Carles Puigdemont sowie mehrere Parlamentarier wegen der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums am vergangenen 1. Oktober und der Ausrufung der Unabhängigkeit drei Wochen später ab. Nach achtmonatigen Ermittlungen holte er dabei zum letzten Schlag aus. Er entzieht Puigdemont und fünf weiteren Politikern, die sich im Ausland aufhalten oder in Untersuchungshaft sitzen, das passive Wahlrecht.

Llarena weist das katalanische Autonomieparlament an, den Ex-Regierungschef Puigdemont, der in Deutschland auf ein Urteil über seine Auslieferung an die spanische Justiz wartet, dessen inhaftierten Stellvertreter Oriol Junqueras sowie vier weiteren Inhaftierten „automatisch“ den Status als Abgeordneten solange zu entziehen, bis das Gerichtsverfahren gegen sie endgültig abgeschlossen ist.

Insgesamt beschuldigt Llarena 18 Politiker der „Rebellion“, der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“, sowie anderer weniger schwerwiegende Delikte. Sollten die Richter, die Ende 2018, Anfang 2019 über den Fall verhandeln, dem stattgeben, drohen bis zu 55 Jahre Haft. Neun der beschuldigten sitzen in Untersuchungshaft, sechs befinden sich im Ausland. Gegen sie laufen Auslieferungsverfahren in Deutschland, Belgien und Schottland.

Mit seiner Anordnung will Llarena verhindern, dass „Personen, gegen die vernünftige Beweise vorliegen, dass sie die Ordnung des demokratischen Zusammenlebens durch bestimmte kriminelle Verhaltensweisen herausgefordert und ernsthaft angegriffen haben, weiterhin in der Ausführung einer öffentliches Funktion ein Risiko für die Gemeinschaft darstellen“. Wie diese Anordnung umgesetzt werden soll, lässt Llarena in der Hand des Parlamentspräsidiums.

Mitglieder des Parlamentspräsidiums zeigen sich gegenüber der Presse erstaunt über den Beschluss. Abgeordnete ihren Sitz vorübergehend zu entziehen würde bedeuten, Nachrücker ebenfalls nur vorübergehend zu berufen. Die Geschäftsordnung des katalanischen Parlaments sieht so etwas nicht vor.

Die katalanische Regierungspartei „Gemeinsam für Katalonien“ (JxCat) von Puigdemont will ein breites Bündnis dagegen schmieden. Die Fraktionssprecherin Gemma Reis rief am Mittwoch sowohl die Verfechter der Unabhängigkeit Kataloniens als auch die Sozialisten von Pedro Sánchez und die Linksalternativen von „Catalunya en Comú Podem“ – Partei der Bürgermeisterin von Barcelona Ada Colau – auf, im Parlamentspräsidium das Anliegen Llarenas zurückzuweisen. „Wir können nicht akzeptieren das unsere Kollegen suspendiert werden, denn sie haben die ihnen zur Last gelegten Delikte nicht begangen“, erklärte sie. Reis verweist auf die Auslieferungsverfahren gegen Puigdemont und Kollegen. Weder die deutsche noch die belgische Justiz sehen in der friedlichen Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums „Rebellion“ oder „Hochverrat“.

Die Anordnung Llarenas kam nur 24 Stunden nachdem der spanische Regierungschef Pedro Sánchez und sein katalanischer Kollege Quim Torra in einem ersten Treffen versuchten, die Beziehung zwischen Madrid und Barcelona zu normalisieren./Foto: Òmnium Cultural

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