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Erster Schritt zum Dialog

Der spanische Regierungspräsident Pedro Sánchez traf sich am Montag früh für zwei einhalb Stunden mit dem katalanischen Regierungschef und Befürworter der Unabhängigkeit Quim Torra im Madrider Regierungspalast La Moncloa. Die lang erwartete Sitzung sei „freundlich und flüssig“ verlaufen, erklärte die spanische Vize-Regierungschef Carmen Calvo im Anschluss vor der Presse. Das Treffen wird allgemein als erster Schritt zur „Normalisierung Spaniens“ gewertet. Die beiden Regierungschefs vereinbarten, die im katalanischen Autonomiestatut vorgesehen „bilaterale Kommission“ zu aktivieren, um dort Lösungen für die verfahrene Lage zwischen Madrid und zu suchen.

„Diese Situation kann nicht ohne Anstrengung aller Beteiligten gelöst werden“, erklärte Calvo. Leicht wird der angestrebte Dialog sicher nicht. Während Sánchez vor allem über weitere Zugeständnisse bei der Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen in Katalonien sowie den Ausbau der Kompetenzen der Autonomieregierung verhandeln will, verlangt Torra für seine Region das „Recht auf Selbstbestimmung“. Er will ein Referendum über die Zukunft Kataloniens, so wie dies in Schottland durchgeführt wurde. „Die Regierung gibt nicht auf, was sie nicht aufgeben kann, nämlich die Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung“, weist Calvo dies zurück.

„Wir konnten unser Bild von Katalonien gegenüberstellen“, erklärte Torra nach dem Treffen, das er als positiv bewertete. Sánchez habe erkannt, dass es sich bei der Katalonienfrage um ein politisches Problem handle, das mit Politik und nicht mit der Justiz gelöst werden müsse, fügte Torra hinzu. „Wir haben eine bilaterale Beziehung begonnen, die weitergehen wird“, sagte er und beteuert gleichzeitig, am Ziel der Unabhängigkeit festhalten zu wollen. Torra hat Sánchez zu weiteren Gesprächen eingeladen, dann in seinem Amtssitz in Barcelona.

Das letzte Treffen dieser Art fand vor ein einhalb Jahren ohne Verständigung zwischen dem damaligen konservativen, spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und dem Vorgänger Torras, Carles Puigdemont statt. Sie redeten aneinander vorbei.

Die Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona sind seit Herbst 2012 so gut wie inexistent. Der damalige katalanische Regierungschef Arturo Mas fuhr nach Madrid, um ein neues Finanzsystem auszuhandeln. Er wollte, dass Katalonien dem Baskenland gleichgestellt wird. Die Basken treiben die Steuern selbst ein und führen dann einen Teil nach Madrid ab. Katalonien hingegen bekommt von den staatlichen Steuereinnahmen einen Teil zugewiesen. Dabei fließt wesentlich weniger zurück, als in der Region an Steuern eingenommen wird. Rajoy schickte Mas nach Hause, ohne auch nur Hoffnung auf irgendwelche Zugeständnisse zu machen.

Mas begann daraufhin die ständig wachsende Unabhängigkeitsbewegung zu unterstützen. 2014 führte seine Regierung eine erste Bürgerbefragung über die Loslösung von Spanien durch. Dieser Prozess endete unter Mas‘ Nachfolger Puigdemont mit dem einseitig durchgeführten Referendum am vergangenen 1. Oktober und der Unabhängigkeitserklärung vom 27. Oktober.

Rajoy stellte mit Hilfe von Sánchez sozialistischer PSOE Katalonien unter Zwangsverwaltung. Sieben Exminister und Parlamentspolitiker sowie zwei Aktivisten sitzen wegen „Rebellion“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ in Untersuchungshaft. Sechs weitere Politiker, darunter Puigdemont, der in Berlin auf ein Urteil über einen spanischen Auslieferungsantrag wartet, befinden sich im Exil.

Zwar hat die Regierung Sánchez vor einer Woche die ersten Inhaftierten von Madrider Gefängnissen in katalanische Haftanstalten verlegen lassen, doch das ist Torra nicht genug. Er fordert die Freilassung und die Einstellung der Verfahren.

Die Opposition im spanischen Parlament griff Sánchez vor dem Treffen scharf an. Die ehemalige Vize-Regierungschefin Soraya de Sáez de Santamaría verlangt, dass Sánchez „keinen Deut“ auf Torra zugehen soll. Sie wirft Sánchez vor, er sei gewillt Torra Zugeständnisse zu machen, um so für die Unterstützung der katalanischen Abgeordneten beim Misstrauensvotum am 1. Juni zu bezahlen, die den Sozialisten an die Macht und die Partido Popular (PP) auf die Oppositionsbank brachte zu bezahlen. Der Chef der rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) Albert Rivera beschuldigt Sánchez mit denen zu verhandeln, die „unser Land liquidieren wollen“. /Foto: Pool Moncloa/J.M.Cuadrado

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