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Mord im Parteivorstand

fgFelipe González

Der Generalsekretär der Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE), Pedro Sánchez steht vor dem Aus. Am Mittwochabend traten 17 Mitglieder des Parteivorstandes zurück. Zusammen mit drei bereits vakanten Sitzen, verbleibt weniger als die Hälfte der Führung. Laut Parteistatuten ist dies das automatisches Ende von Generalsekretär Sánchez. Ein kommissarischer Parteivorstand muss eingerichtet werden, um die PSOE zu einem Sonderparteitag zu führen. Sánchez möchte das noch nicht wahrhaben und will die Übergangsphase selbst leiten. Das Wort Putsch macht die Runde. Der bisherige Organisationssekretär César Luena fragt nach den „Absichten“ der Zurückgetretenen, „und mit wessen Unterstützung und mit welchen Bündnispartner ausserhalb der Partei“, sie rechnen.

Es war die Chronik eines angekündigten Todes. Seit Wochen schreibt die größte Tageszeitung des Landes El País Leitartikel gegen Sánchez, der als erster Generalsekretär in der über 100-jährigen Geschichte der PSOE von der Basis direkt gerwählt worden war. Was El País stört: Sánchez weigerte sich strickt eine Minderheitsregierung der Partido Popular (PP) unter dem bisherigen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zu dulden. Das sei unverantwortlich, führe zur Blockade und zur Instabilität.

Am Morgen vor dem Rücktritt der 17 rief dann kein Geringerer als der ehemalige sozialistische Ministerpräsident Felipe González zum Angriff. In einem Interview im Radio Cadena Ser, das wie El País zur Medienholding PRISA gehört, erklärte der 74-Jähre: „Ich fühle mich betrogen.“ Sánchez habe ihm versprochen, sich im zweiten Wahlgang zugunsten Rajoys zu enthalten, um diesem die einfache Mehrheit und damit den erneuten Einzug in den Regierungspalast Moncloa zu sichern. Die 17 reichten wenige Stunden später ihren Rücktritt ein.

Hinter den Kritiker steht ein Großteil der sozialistischen Landesfürsten unter Führung der andalusischen Ministerpräsidentin und dortigen PSOE-Chefin Susana Díaz. Ihr Flügel hat nur ein Ziel, die junge Antiausteritätspartei Podemos um jeden Preis von Regierungsverantwortung in Madrid fern zu halten. Nach den Wahlen im Dezember war Díaz damit auf einem Kleinen Parteitag erfolgreich.

Dieser schloss eine Koalition PSOE-Podemos aus. Sánchez folgte dem und brachte keine Parlamentsmehrheit hinter sich. Da auch Wahlsieger Rajoy keine Regierung bilden konnte, kam es im Juni zu erneuten Wahlen mit praktisch gleichem Ausgang. In den letzten Tagen hatte Sánchez seine Meinung geändert. Er wolle jetzt doch auf Podemos zugehen, kündigte er an. Bis der „enttäuschte“ González die Notbremse zog.

„Das Theater ist vorbei. Heute Morgen hat Felipe Gonzalez angelegt und kurz darauf wurde das, was für uns eine Art Putsch des Regimes ist, vollzogen“, erklärt die Podemossprecherin im Parlament Irene Montero. Der Chef der rechtsliberalen Ciudadanos Albert Rivera erklärte auf twitter: „Ich freue mich nicht über die Krise einer verfassungskonformen Partie, aber es wäre schlimmer, wenn ganz Spanien weiterhin in Krise und Blockade verweilen würde.“ Rivera, der nach den Dezember-Wahlen mit der PSOE paktierte und jetzt mit der PP wirbt seit Monaten für eine Koalition aus PP, PSOE und C‘s gegen Podemos.

Die gesellschaftliche Krise die Spanien durchlebt, „die Auseinandersetzung zwischen dem Alten, das untergeht, und dem Neuen, das noch nicht endgültig gesiegt hat“, zerreiße die PSOE, analysierte der Moderator des beliebten Online-Programms „La Cafetera“ Fernando Berlín. Der Journalist, der werden seiner kritischen Haltung gegenüber einer etwaigen großen Koalition und seinem Eintreten für eine Linksregierung nach 18 Jahren von der Cadena Ser entlassen worden war, sieht eine unheilige Allianz aus González und PRISA im Dienste der großen Unternehmen Spaniens und deren Interesse am Werk.

Der noch von Sánchez für Samstag einberufene Kleine Parteitag soll tatsächlich stattfinden. Egal was dort letztendlich beschlossen wird, ob eine kommissarische Führung oder der Verbleib von Sánchez bis zum Sonderparteitag, eine Regierungsbildung unter Sánchez wird es nicht mehr geben. Und erneute Wahlen können sich die Sozialisten jetzt nicht mehr leisten. Die Wähler würden der zerstrittenen Partei in Scharen davonlaufen. Bleibt nur das, was Díaz und die Ihren seit Monaten planen. Enthaltung zugunsten einer konservativen Minderheitsregierung, um dann in der Opposition zu versuchen, die an Podemos verlorenen Millionen von Wählern zurückzugewinnen und zu neuer Größe zu gelangen. Díaz selbst will diese Etappe nach dem Sonderparteitag wohl anführen./Foto: PSOE

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