Pedro Sánchez (PSOE) – Foto: PSOE
Der Chef der spanischen Sozialisten Pedro Sánchez scheiterte am Mittwoch vor dem spanischen Parlament. Er bekam keine Mehrheit für seine „Regierung des Wandels und des Dialogs“. Er kann bisher einzig und alleine auf die Stimmen seiner eigenen PSOE und der rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) setzen. Die Linke, allen voran die drittstärkste parlamentarische Kraft, die junge Antiausteritätspartei Podemos (Wir können) stimmten ebenso gegen Sánchez, wie die stärkste Fraktion der bisher regierende Partido Popular (PP) des Konservativen Mariano Rajoy. 130 Abgeordnete stimmten für Sánchez, 219 gegen ihn und einer enthielt sich.
Es war eine raue Debatte, wie sie das spanische Parlament schon lange nicht mehr gesehen hat. Das Abkommen der beiden Parteien sei „auf die Oligarchien zugeschnitten“, begründete Podemos-Chef Pablo Iglesias die ablehnende Haltung von Podemos. Weder würden die letzten beiden Arbeitsmarktreformen, die den Kündigungsschutz aufweichten, zurückgenommen, noch die konservative Bildungsreform oder das sogenannte Knebelgesetz, das unter anderem spontane Demonstrationen unter hohe Strafe stellt. Es fehle an Sozialmaßnahmen, wie einem Ende der Zwangsräumungen von Wohnungen, oder einem Recht auf Strom und Gas auch für diejenigen, die ihre Rechnungen nicht mehr begleichen können.
Sánchez verteidigte sein Ankommen mit Ciudadanos als „mutig“, und redete von „politischer Vermischung“ die notwendig sei. Der Pakt diene dem „Wandel“. Während Ciudadanos-Chef Albert Rivera die PP aufforderte eine Regierung Sánchez per Enthaltung zu ermöglichen, forderte der sozialistische Kandidat Podemos auf ihn zu unterstützen. Gegen sein Regierungsprojekt zu stimmen sei rechts zu stimmen erklärte er immer wieder, und warnte: „Die Wähler werden dies nicht verzeihen.“ Podemos mache sich zum „Rettungsanker Rajoys“.
„Das Zweiparteiensystem ist Geschichte“, hielt Iglesias dagegen. Erpressungen diese Art würden nicht mehr funktionieren. Iglesias verwies auf die Kürzungen, für die die PSOE zu Beginn der Krise verantwortlich zeichnete, zitierte den schmutzigen Krieg der 1980er Jahren gegen baskische Separatisten unter der damaligen sozialistischen Regierung von Felipe González und verwies auf die Schuldenbremse, die von den Sozialisten zusammen mit der PP in die Verfassung geschrieben wurde, und Schuldenzahlungen den Vorrang vor Sozialausgaben gibt. „Ich verrate meine Leute nicht“, sagte Iglesias und wiederholte sein Angebot für eine gemeinsame Koalitionsregierung. Nur sie böte Garantien für einen echten Wandel.
Pablo Iglesias (Podemos) – Foto: Dani Gago
Sánchez will davon nichts wissen. Er will Podemos in der zweiten Abstimmung zur Enthaltung zwingen, um so in Minderheit regieren zu können. „Es gibt keine Mehrheit für eine linke Regierung“, begründete er diese Haltung und verteidigte das Abkommen mit Ciudadanos als Grundlage für weitere Gespräche mit anderen Parteien.
Iglesias rechnet anders. Zwar kämen PSOE, Podemos und andere linke Formationen tatsächlich nur auf 161 der für eine absolute Mehrheit benötigten 176 Abgeordneten, doch würde es reichen, dass ein Teil der katalanischen und baskischen Nationalisten eine solche Regierung stützen. Iglesias hat dies auf eigene Faust ausgehandelt. Der Preis: Da Recht auf eine Abstimmung über Unabhängigkeit, wie diese in Schottland stattfand. „Ich werde nicht dulden, dass die Regierungsfähigkeit in Spanien dank separatistischer Parteien zustande kommt“, lehnt Sánchez ab.
Am Freitag wird das Parlament erneut zusammentreten. Dann reicht eine relative Mehrheit, doch auch die wird Sánchez nicht bekommen, sollte es keine Überraschungen im letzten Augenblick geben. Ab dann läuft die Uhr. Zwei Monate hat das spanische Parlament, um sich doch noch auf eine Mehrheit – sei es eine Linksregierung oder eine Große Koalition – zu einigen. Wenn nicht, wird es Ende Juni erneut Wahlen geben.
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Meine Meinung
Verzockt?
Pedro Sánchez, Kandidat der spanischen Sozialisten für das Amt des Regierungschefs, hat sich ganz offensichtlich verzockt. Anstatt mit Podemos und anderen eine linke Mehrheit zu schmieden, unterzeichnete er ein „Regierungsabkommen“ mit den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger). Doch das reicht nicht für die Mehrheit im Parlament. Sánchez wusste dies von Anfang an. Er hoffte darauf, dass Podemos sich bei der zweiten Abstimmung enthält. Dies würde ihn zum Premier machen. Er hätte dann freie Hand mit wechselnden Mehrheiten zu regieren – unliebsame Kürzungen mit einer rechten und einige kleinere soziale Reformen mit einer linken Mehrheit. Doch Podemos spielt da nicht mit.
Fragt sich warum Sánchez auf eine aussichtslose Strategie setzte. Die Antwort liegt auf der Hand. Er steht unter einem ungeheuren Druck. Die großen Unternehmen Spaniens, die Altvorderen seiner eigenen PSOE, Brüssel und Berlin wollen eine Große Koalition in Spanien, um Podemos zu isolieren. Was in der EU funktioniert gilt ihnen als Garant für die Austeritätspolitik, die in Spanien Armut und soziale Ungerechtigkeit geschaffen hat.
Dass Sánchez jetzt umdenkt, ist mehr als unwahrscheinlich. Bleibt nur eine Lösung. Die von Korruptionsskandalen schwer angeschlagene bisherige Regierungspartei Partido Popular (PP) enthält sich bei einer der Abstimmungen, die in den kommenden zwei Monaten sicher noch anstehen. Mit Ruhe betrachtet hätte dies mehr Vorteile als Nachteile für die Konservativen. Sie gewännen Zeit, um sich neu aufzustellen, den Ruf der Korruption loszuwerden.
Für Sánchez ist dies allerdings ein gefährliches Spiel. Eine verdeckte Große Koalition kann der PSOE schwer schaden. Pasok in Griechenland, Labour in Irland zeigen, wie das enden kann.