© 2016 Reiner Wandler

Auf den letzten Drücker

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Katalonien bekommt doch noch eine Regierung. Förmlich in letzter Minute einigte sich das separatistische Bündnis „Gemeinsam für das Ja“ (JxS) und die linksnationalistische, antikapitalistische Kandidatur der Volkseinheit (CUP) und wenden damit Neuwahlen ab. Der bisherige Regierungschef Artur Mas macht „einen Schritt zu Seite“ und tritt nicht zur Wiederwahl im Parlament an. Neuer Regierungschef wird mit Carles Puigdemont, dem derzeitigen Bürgermeister von Girona, ein enger Vertrauter von Mas. JxS und CUP halten zusammen 72 der insgesamt 135 Abgeordneten im katalanischen Autonomieparlamentes und damit die absolute Mehrheit.

Nachfolger Puigdemont wird jetzt den bereits im Frühjahr von mehreren nationalistischen Parteien und Bürgerinitiativen unterzeichneten „Fahrplan“ umsetzen. Dieser sieht die Schaffung einer eigenständigen Republik Katalonien binnen 18 Monaten vor.

Die CUP verkündete bereits in der Kampagne zu den Wahlen am vergangenen 27. September, dass sie auf gar keinen Fall Mas unterstützen werde. Eine Basisversammlung bestätigte dies vor einer Woche. Mas ist für die CUP ein rotes Tuch. Er hat in den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise für eine strenge Sparpolitik mit Sozialkürzungen und Privatisierungen verantwortlich gezeichnet. Außerdem gab es in seinem Umfeld mehrere Korruptionsskandale.

Obwohl die CUP letztendlich Mas zu Fall bringt, geht die antikapitalistische Formation aus den Verhandlungen schwer angeschlagen hervor. Die Linksnationalisten machen Zugeständnisse, die für viele ihrer Wähler nur schwer nachvollziehbar sein dürften. „Man muss Fehler in der kriegerischen Haltung gegenüber JxS anerkennen“, heißt es im Abkommen. Als Akt der Selbstkritik sollen mehrere Abgeordneten, die der Formation von Mas besonders kritisch gegenüberstehen, ihren Sitz im Parlament für Nachrücker räumen. Zwei Abgeordnete der CUP treten in die JxS-Fraktion über. Damit hat der neue Regierungschef Puigdemont eine stabile Mehrheit im Parlament. Ausserdem verpflichten sich die verbleibenden acht Abgeordneten der CUP-Fraktion, „auf keinen Fall mit den Gruppen im Parlament zu stimmen“, die dem Unabhängigkeitsprozess ablehnend gegenüberstehen. „Was uns die Urnen nicht direkt gegeben habe, haben wir mit Verhandlungen korrigiert“, erklärte Mas zufrieden. Er verkündete gleichzeitig, dass er sich nicht aus der Politik zurückziehen werde.

Die Madrider Regierung erwischt die Einigung zwischen JxS und CUP kalt. Ministerpräsident Mariano Rajoy rechnete, wie die meisten Beobachter mit einem Scheitern der Verhandlungen und mit Neuwahlen im März. Das hätte Rajoy selbst mehr Zeit gegeben. Denn der Konservative ist seit den spanischen Parlamentswahlen vom vergangenen 20. Dezember nur noch provisorisch im Amt. In einem Parlament, das erstmals mit Rajoys Partido Popular (PP), den Sozialisten (PSOE), der Anti-Austeritätspartei Podemos und den rechtliberalen Ciudadanos vier große Fraktionen hat, gestaltet sich die Regierungsbildung schwierig. In einem Kommuniqué spricht Rajoy von der „Notwendigkeit einer spanischen Regierung, die auf eine breite parlamentarische Basis setzen kann“. Er wünscht sich eine große Koalition aus PP, PSOE und Ciudadanos.

PSOE-Spitzenkandidat Pedro Sánchez möchte davon nichts wissen. Er will auf Podemos zugehen, um eine linke Regierung zu bilden. Allerdings trennt die beiden Parteien genau das Thema Katalonien. Podemos fordert das Recht eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit der nord-ost-spanische Region, auch wenn die junge Partei selbst für die Erhaltung der Einheit Spaniens eintritt. Die PSOE will davon nichts wissen.

„Es werden Tage starken Drucks für eine großen Koalition kommen“, prophezeit die wichtigste katalanische Tageszeitung, La Vanguardia. „Die Chancen für eine linke Allianz rund um Sánchez werden geringer (…). Die Manöver gegen den Generalsekretär werden erneut einsetzen“, heisst es weiter. Zu den Verfechtern eine großen Koalition gehören einflussreiche sozialistische Regionalfürsten und die wichtigsten Unternehmen Spaniens./Foto: Procsilas

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