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Spanien will an Atomenergie festhalten

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Wenn etwas für die Energiepolitik der konservativen Regierung Spaniens steht, dann ist es der Atomreaktor in Garoña. Ministerpräsident Mariano Rajoy und sein Industrieminister José Manuel Soria wollen das AKW in der Nähe der nordspanischen Stadt Burgos wieder ans Netz nehmen und das obwohl die ursprüngliche 30-jährige Betriebsgenehmigung bereits 2013 auslief. Sollte die Laufzeit des Siedewasserreaktors tatsächlich wie von den Betreibern beantragt auf 60 Jahre erweitert werden, wäre das 1970 gebaute AKW Garoña eines der ältesten Kernkraftwerke, das weltweit noch Strom produzieren. Noch prüft der Nationale Nukleare Sicherheitsrat (CSN). Doch der gilt als atomfreundlich.

In Spanien laufen derzeit sieben Atomreaktoren. Sie wurden allen in den 1980er Jahren gebaut, bevor die damalige sozialistische Regierung unter Felipe González dem sozialen Druck nachgab, und das Atomprogramm stoppte. Die Reaktoren gehören alle den beiden großen Stromerzeugern Endesa und Iberdrola. An einigen Betreibergesellschaften ist der kleinere Energieversorger Union Fenosa mitbeteiligt. Mit ihrer Gesamtleistung von 7273 Megawatt (MW) decken die AKWs rund 20 Prozent des Stromverbrauchs und sind damit die Nummer zwei im Energiemix hinter der Windenergie mit ihren 23.000 MW.

Umweltschutzorganisationen halten das Ansinnen, Garoña wieder ans Netz zu nehmen für einen „Anachronismus“. Der Reaktor ist völlig veraltet und baugleich mit denen, die in Fukushima für den größten Atomunfall aller Zeiten sorgten. Das Siedewasserreaktor wird direkt mit Flusswasser aus dem Ebro gekühlt. Im Falle einer Wiederaufnahme des Betriebes müsste ein Kühlturm gebaut werden. Das haben Experten der Nuklearsicherheit bereits angekündigt.

Ministerpräsident Mariano Rajoy will von Bedenken gegen die alten Siedewasserreaktoren nicht wissen. Selbst im Falle eines Falles sei die Atomenergie beherrschbar. Um dies zu bekräftigen, besuchte er eigens Fukushima im Oktober 2013. „Die Bedenken über Fukushima sind unbegründet“, erklärte Rajoy. Nur wenige Stunden später mussten die Betreiber einen erneuten schweren Zwischenfall eingestehen. Radioaktives Wasser war zum wiederholten Mal ins Meer gelangt.

Auch zu Hause gibt es nur wenig gute Nachrichten. 2013 waren zwei der sieben Reaktoren fast ständig wegen technischen Problemen abgeschaltet. „In den letzten zehn Jahren nehmen wichtige Störfälle und Fehler der Sicherheitssysteme ständig zu“, muss selbst der CSN in seinem jüngsten Bericht eingestehen. Die Umweltschutzorganisationen verlangen einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Auch wenn diese Forderung erfolglos bleibt, werden bis zum Ende des Jahrzehnts nach und nach alle Reaktoren ihre 30 Jahre erreichen. Eine Laufzeitverlängerung für Garoña wäre deshalb ein wichtiger Präzedenzfall. Die Betreiber könnten auch für die restlichen AKWs eine zweite Betriebsgenehmigung beantragen.

„Nirgends steht geschrieben, wie lange ein AKW betrieben werden kann“, heisst es aus der Regierung. Atomstrom sei billig und deshalb für die durch die Krise angeschlagene Wirtschaft nötig, bekräftigen die Konservativen weiter. Die erste Maßnahme der Regierung Rajoy, als sie Ende 2011 an die Macht kam, war ein Moratorium für den Ausbau erneuerbarer Energien. Seither gibt es keine Einspeisevergütung für Neuanlagen mehr. Spaniens Industrie für Wind- und Solarenergie, einst weltweit mit an der Spitze, hat seither Zehntausende von Arbeitsplätzen verloren. Mehr als direkt und indirekt im Atomprogramm arbeiten, rechnen Branchenverbände und Umweltorganisationen vor.

„Die Energiepolitik der Regierung ist völlig falsch angelegt“, beschwert sich Paco Castejón, AKW-Experte bei Ecologistas en Acción, eine der größten Umweltschutzorganisationen in Spanien. Für ihn ist die Atomenergie völlig überflüssig. Er verweist auf 2012. Damals war über Monate die Hälfte der Leistung der AKWs wegen Störfällen vom Netz. Die Stromversorgung funktionierte dennoch ohne Probleme.

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