© 2013 Reiner Wandler

Rüffel für Madrid

Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg hat Spanien verurteilt. Das Königreich verstoße gegen den Artikel 5 (Recht auf Freiheit und Gleichheit) sowie gegen Artikel 7 (ohne Gesetz keine Strafe) der europäischen Menschenrechtskonvention. Die Klägerin, das Mitglied der baskischen Separatistenorganisation ETA Inés del Río, werde unrechtmäßig in Haft gehalten.Der Grund ist die sogenannte Parot-Doktrin. Dank der 2006 vom Obersten Spanischen Gerichtshof eingeführte Haftrichtlinie müssen die meisten verurteilten ETA-Mitglieder die längst-mögliche Haftzeit von 30 Jahren voll absitzen.

Die nach einem ETA-Mitglied benannte Doktrin besagt, dass Hafterleichterungen für gutes Verhalten, Arbeit in Haft, etc. nicht wie bei normalen Gefangenen auf die 30 Jahre maximale Haftdauer angerechner werden, sondern auf Einzelstrafen. Etarras, die wie Del Río wegen 23 Morden verurteilt wurden, kommen so vor 30 Jahren Haft nicht auf freien Fuß. Ohne Parot-Doktrin, benannt nach dem ersten Etarra auf den diese Richtlinien angewandt wurden, wäre Del Río, die in den 1980er Jahren eines der wichtigsten Mitglieder des ETA-Kommandos in der Hauptstadt Madrid war, bereits im Juli 2008 entlassen worden.

„Die Klägerin konnte nicht vorhersehen, dass im Februar 2006 die Rechtsprechung geändert und auf sie angewandt würde, was eine Verlängerng der Haftzeit um knapp 9 Jahre bedeutet. Die Klägerin hat also eine höhere Haftstrafe verbüsst, als dies nach dem Rechtssystem der Fall gewesen wäre, der zum Zeitpunkt ihrer Verurteilung gültig war“, heißt es im Urteil. Straßburg fordert Madrid auf, Del Río, die nach der Doktrin Parot erst 2017 entlassen worden wäre, „so schnell wie möglich“ auf freien Fuß zu setzen. Der Straßburger Gerichtshof hatte bereits im Juli 2012 dieses Urteil erlassen. Spaniens Regierung letzte dagegen Widerspruch ein. Der Gestrige Richterspruch, der einstimmig erging, ist rechtsgültig und muss von Spanien umgesetzt werden.

Spaniens konservative Regierung und Ministerpräsidenten Mariano Rajoy wird jetzt wohl kaum darum herumkommen, weitere Gefangene frei zu lassen. 61 der insgesamt 800 inhaftierten Etarras und 14 als besonders gefährlich eingestufte soziale Gefangene befinden sich in einer ähnlichen Lage wie Del Río. 30 Etarras haben ebenfalls in Straßburg geklagt. 76 weitere Etarras sitzen ebenfalls unter der Parot-Doktrin ein, doch ihre reguläre Haftzeit ist noch nicht abgelaufen.

Die Regierung kündigte an, die Freilassungen hinauszuzögern. Jeder Fall soll einer ausführlichen Einzelprüfung unterzogen werden.Das Innenministerium will Ehrungen und Feste beim Empfang freigelassener Etarras im Baskenland nicht dulden. „Es wird mit Null Toleranz gehandelt“, erklärte das Innenministerium. ETA hat vor über zwei Jahren die Waffen endgültig ruhen lassen.

Was bisher geschah: