Die Sieger schreiben die Geschichte. Dieser Satz gilt in Spaniens Hauptstadt Madrid mehr denn je. Die in Stadt und Region regierende Konservativen von der Partido Popular (PP) von Ministerpräsidenten Mariano Rajoy versuchen ein Denkmal zu Ehren der Internationalen Brigaden, die im spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) halfen, die verfassungsmäßige Ordnung gegen den Putsch der faschistischen Militärs von General Francisco Franco zu verteidigen, entfernen zu lassen. Die schlichte Säule aus Metall steht in der Universität Complutense, und damit an dem Schauplatz der härtesten Schlachten um die Hauptstadt.
Das von Bürgern und der Vereinigung der Freunde der Internationalen Brigaden finanzierte und von Studenten der Complutense entworfene Denkmal, habe „keine Baugenehmigung“ und störe „das kulturell wertvolle Umfeld des Universitätsgeländes“ befand das Madrider Landesgericht vor der Sommerpause. Die Säule müsse deshalb binnen zweier Monate abgerissen werden. Das Verfahren geht auf eine Anzeige eines Anwaltes aus dem Umfeld der ultrarechten Franco-Stiftung zurück. Konservative Presse und Politiker nutzen das Urteil, um ebenfalls den Abriss des Gedenkstätte zu fordern.
„In diesem Land gibt es Leute, die noch nicht einmal im 20., geschweige denn im 21. Jahrhundert angekommen sind“, erklärt der Rektor der Universität Complutense José Carrillo. Er hat, wie bei anderen Denkmälern auf dem Universitätsgelände ebenfalls üblich, den Antrag auf eine Baugenehmigung erst eingereicht, nachdem die Gedenksäule errichtet und eingeweiht worden war. So verfuhren etwa auch die Initiatoren eines Denkmals für die Opfer der islamistischen Bombenanschläge auf die Pendlerzüge in Madrid am 11. März 2004.
Doch dieses Mal soll ist anders. Die Baubehörde der konservativen Stadtverwaltung von Bürgermeisterin Ana Botella, der Ehefrau des ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten José María Aznar, antwortete auf das Gesuch ganz einfach nicht. Das Gericht nutze diese Lücke, um den Abriss anzuordnen. Stadt- und Landesregierung nahmen dies wohlwollend zur Kenntnis. Denn ihnen ist die als fortschrittlich verschrieene Complutense und ihr Rektor Carrillo ein Dorn im Auge. Der vor zwei Jahren ins Amt gewählte Mathematikprofessor ist Sohn des historischen Führers der spanischen Kommunisten in den Jahren des Widerstandes gegen die 40-jährige Franco-Diktatur, die dem Bürgerkrieg folgte, Santiago Carrillo.
„Die Rechte in diesem Land ist starrsinnig. Sie will die klaren Tatsachen nicht anerkennen. Die Internationalen Brigaden kamen, um die Freiheit zu verteidigen“, sagt Rektor Carrillo. Das Thälmann-Bataillon aus Deutschland, das Bataillon 12. Februar aus Österreich, das André-Marty-Bataillon und Commune-de-Paris-Bataillon auf Frankreich, das Lincoln Bataillon aus den USA, das jüdische Palafox-Bataillon aus Palästina … insgesamt unterstützten knapp 60.000 Antifaschisten aus aller Welt die Verteidigung der spanischen Republik. Unter ihnen befanden sich auch 800 Eidgenossen aus der Schweiz.
„Wir werden das Denkmal verteidigen. Es bleibt hier“, erklärt der Rektor und legte Widerspruch vor Gericht ein. Carrillo findet breite Unterstützung. „Wir protestieren gegen die Ungleichbehandlung, die in Madrid stattfindet“, heißt es in einem Manifest eines Bündnisses aus Künstlern und Intellektuellen. Fünf Jahre nach in Kraft treten des Gesetzes zur Bewahrung der Historischen Erinnerung des ehemaligen sozialistischen Ministerpräsidenten José Luis Rodríguez Zapatero – das spanienweit faschistische Namen und Denkmäler aus dem Stadtbild verbannen soll – sei der Stadtplan in Madrid noch immer voller Straßen und Plätze im Gedenken an die Franco-Diktatur, während das Denkmal an die Verteidiger der verfassungsmäßige Ordnung abgerissen werden soll. Unter dem Manifest für den Erhalt des Denkmals der Internationalen Brigaden finden sich Namen wie der des wegen seinen Ermittlungen der Verbrechen der Franco-Diktatur aus dem Amt entfernte Richter Baltasar Garzón, die Schauspieler Juan Diego Botto, Pilar und Carlos Bardem – Mutter und Bruder von Javier Bardem. Selbst aus dem Ausland kommt Unterstützung, unter ihnen die Abgeordneten der Labour Party im britischen Parlament und die spanischstämmige, stellvertretende Bürgermeisterin von Paris.
Eines der bekanntesten faschistischen Denkmäler steht nur unweit von Carrillos Rektorat: Der Triumphbogen. Dem berühmten Pariser Denkmal nachempfunden, steht er an der Straße auf der die siegreichen Truppen Francos im April 1939 in die Hauptstadt einzogen. Der Bürgerkrieg kostete mehr als einer halbe Millionen Menschen das Leben, unter ihnen 15.000 Kämpfer der Internationalen Brigaden. In den Jahren nach dem Sieg der Putschisten fielen mindestens 400.000 Menschen der willkürlichen Repression zum Opfer, rund eine Million der damals 23 Millionen Spanier flohen ins Ausland.
Aussöhnung oder Aufarbeitung der bewegten Geschichte, sind Fremdworte in Spanien. „Spaniens Rechte ist von einer Siegermentalität gekennzeichnet. Sie können es einfach nicht zulassen, dass die Besiegten, die Opfer sichtbar sind“, erklärt Emilio Silva, Vorsitzender der Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH). „Es fehlt ihnen an echter demokratischer Kultur. In jedem anderen Land wäre das Denkmal für die Brigaden vom Staat errichtet worden“, ist sich der Enkel eines im Bürgerkrieges standrechtlichen Erschossenen sicher. Silvas ARMH sucht seit Jahren Massengräber der Opfer der willkürlichen Repression. Unter der Regierung Zapatero wurden sie von staatlicher Seite unterstützt. Rajoys konservative Regierung hat die Subventionen gestrichen.
„Sie zeigen immer deutlicher, wer sie sind“, wirft Silva der konservativen PP vor. Im Sommer machte die Jugendorganisation der Partei Rajoys mit Fotos Schlagzeilen, auf denen junge Konservative mit Francofahnen und Nazigruß zu sehen waren. Ein Bürgermeister der PP in Galicien schmückt bis heute seine Amtsstube mit einem Foto des Diktators, ein anderer erklärte: „Die unter Franco zum Tode Verurteilten, haben es verdient.“ Der Fraktionssprecher der PP im spanischen Parlament, Rafael Hernando, ging gar soweit im Radio die von Franco gestürzte demokratische republikanische Ordnung für die eine Million Opfer des Bürgerkrieges verantwortlich zu machen. Rajoy schweigt sich zu den Vorfällen aus./Foto: Wikimedia