Spaniens Regierung stoppt per Dekret die Zwangsräumungen „für besonders verletzliche Familien“, die ihre Wohnungskredite nicht mehr bedienen können für die kommenden zwei Jahre. Dies beschloss gestern (Donnerstag) das Kabinett des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy.
Familien, die weniger als 19.200 Euro pro Jahr verdienen, und zugleich zur Gruppe kinderreicher Familien, Haushaltne mit einem Kind unter drei Jahren oder einem Behinderten und Opfer von häuslicher Gewalt sollen in den Genuss des Gesetzes kommen. Außerdem verspricht die Regierung die Einrichtung einer Agentur für Sozialwohnungen mit besonders günstigen Mieten.
„Das ist nur eine erste Phase für die größten Notfälle“, erklärt Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría. Die Regierung strebe eine weitgehender Gesetzesform an, „im Dialog mit allen Parteien“. Verhandlungen mit der Parlamentsfraktion der sozialistischen PSOE brachten bisher keine Ergebnisse. Die Sozialisten verlangen eine zeitweise Aussetzung aller Zwangsräumungsverfahren.
Das gestern vorgestellte Dekret wurde in aller Eile ausgearbeitet, nach dem sich in den vergangenen Wochen drei Schuldner das Leben genommen hatten, kurz bevor der Gerichtsvollzieher die Räumung vollzog. Die Proteste, die überall im Land über 500 Zwangsräumungen verhindern konnten, wurden stärker. Mehrere Bürgermeister drohten den Banken mit Schließung der Gemeindekonten, sofern sie weitere Wohnungen räumen lassen. Eine der wichtigsten Polizeigewerkschaften sichert ihren Mitglieder Rechtsschutz zu, sollten sie sich weigern an Zwangsräumungen teilzunehmen.
Bisher werden in Spanien täglich 532 Wohnungen geräumt. Die Opfer landen auf der Straße, die Schulden bleiben. Denn die Banken nehmen die Wohnung nur zum geschätzten Marktwert zurück. Der Rest plus die Gerichtskosten müssen weiterhin abbezahlt werden. Nach Angaben der Gerichte und der Plattform der Opfer der Hypotheken (PAH) haben seit Krisenbeginn 2007 über 400.000 Familien ihre Wohnung verloren.
Für die PAH sind die Maßnahmen der Regierung völlig ungenügend. „Wir verlangen einen Stopp aller Räumungsverfahren, solange die Krise anhält. Denjenigen, die ihre Wohnung bereits verloren haben, müssen die Schulden erlassen werden. Außerdem wollen wir ein System sozialer Mieten, die sich an den Einnahmen der Familien orientierten“, sagt der PAH-Sprecher in Madrid, Vicente Pérez. Um dies durchzusetzen sammelt die PAH Unterschriften unter eine Gesetzesinitiative. Die spanische Verfassung sieht vor, dass sich das Parlament mit einem solchen Text beschäftigen muss, wenn mehr als eine halbe Million Menschen unterschreiben. Zum Jahresende soll der Gesetzentwurf der PAH dem Parlament vorgelegt werden.
Es ist nicht klar, ob die zaghaften Reform der Regierung tatsächlich zum Tragen kommen. Laut Berichten einer großen Tageszeitung des Landes, El Mundo, verlangt Brüssel und der Internationale Währungsfond (IWF), dass alle Maßnahmen, die die Bankenrettung gefährden könnten, vorgelegt und abgesegnet werden müssen. So verlangt es das Memorandum, das Madrid unterzeichnet hatte, um 100 Milliarden Euro für die Sanierierung der Banken und Sparkassen zu erhalten. Das größte Problem der Finanzinstitute sind die Kredite an die Bauindustrie und an die Wohnungskäufer.