Die Menschen aus der spanischen Atlantikregion Galicien gelten den restlichen Spaniern als langsam, unentschlossen und undurchsichtig. Wer einen Menschen aus Galicien auf einer Treppe treffe, wisse nie, ob dieser nach oben oder nach unten gehe, lautet eines der Sprichwörter über die Galicier. Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy kommt aus der nordwestspanischen Region und er macht dem Ruf der Galicier alle Ehre.
Vor nunmehr drei Wochen musste die Regierung der Partido Popular (PP) das angeschlagene, viertgrößte spanische Finanzinstitut Bankia teilverstaatlichen. Fast eine Woche hatte es gebraucht, bis Rajoy diese Entscheidung traf. Die Aktien der Bank – ein Verbund mehrerer Sparkassen rund um die hauptstädtische Caja Madrid – verlor knapp drei Viertel ihres Wertes und hat sich seither nicht wieder erholt.
Jetzt kommt es noch schlimmer. War zuerst von einem Finanzloch von rund fünf und dann von zehn Milliarden Euro die Rede. Sollen jetzt 23 Milliarden fehlen. Rajoy reagiert wieder nicht. Er lässt die Zeit verstreichen und legt kein schlüssiges Konzept zur Rettung von Bankia vor.
Ein Gerücht jagt das andere. Die Märkte werden von Tag zu Tag nervöser. Gestern lag der spanische Risikozuschlag zeitweise 539 Punkten über den deutschen Staatsanleihen. Für zehnjährige Darlehen wurden rund 6,5 Prozent Zinsen fällig. Das ist nicht einmal mittelfristig für Spanien tragbar.
Dennoch besteht die Regierung Rajoys darauf Bankia selbst und ohne Hilfe Brüssels zu retten. Wie das gehen soll? Die Angaben darüber sind widersprüchlich. Zuerst war die Rede von weiteren Staatsanleihen, um damit ganz direkt die Liquidität von Bankia zu gewährleisten. 4,5 Milliarden Euro hat der Staat bereits investiert. Bleibt ein Bedarf von weiteren 19 Milliarden. Beim derzeitigen Zinssatz wäre dies eine Neuverschuldung, die Spanien direkt in den Ruin treiben würde.
Auch Brüssel scheint ein solches Prozedere nicht zulassen zu wollen. Die Neuverschuldung zugunsten von Bankia würde der Hälfte dessen entsprechen, was Spanien dieses Jahr einsparen will, um das Defizit von 8,9 Prozent auf 5,3 Prozent zu senken.
Die zweite Idee ist nicht viel realistischer. Der spanische Bankenrettungsfond FROB soll einspringen. Nur der hat das Geld auch nicht. Auch dies würde deshalb eine staatliche Neuverschuldung nach sich ziehen.
Bleibt der Gang nach Brüssel. Doch Rajoy weigert sich strikt, die dortigen Fonds für Bankenrettungen anzufordern. Warum? Darauf antwortet er nicht. Doch das nationale, politische Geschehen lässt nur eine Interpretation zu. Bankia bzw. Caja Madrid – wurde knapp zwei Jahrzehnten von engen Vertrauten der konservativen Regionalregierung in Madrid geführt. Rajoy will deshalb auf keinen Fall einen unabhängigen Blick in die Bücher.
So wird es auch keine Untersuchungskommission im spanischen Parlament geben, wie dies Teile der Opposition fordern. Die Konservativen verstecken ihre schmutzige Wäsche, auch wenn dies die gesamte Staatsfinanz in den Abgrund zu reissen droht.