Spaniens 2,5 Millionen Beamten und Angestellte im Öffentlichen Dienst traten am Dienstag in ein 24-stündigen Streik gegen die Lohn- und Gehaltskürzung im Rahmen der Sparpakete der Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero. Im Schnitt wurden die Bezüge zu Monatsbeginn um 5 Prozent gekürzt. Doch viele müssen weit mehr abgeben. Ein Grundschullehrer schlägt mit 5,75 Prozent zu Buche, ein Gymnasiallehrer gar mit 9,75 Prozent.
Regierung und Gewerkschaften lieferten sich einen Zahlenkrieg, was die Streikbeteiligung angeht. Das Staatssekretärin für den Öffentlichen Dienst bezifferte die Beteiligung mit 11 Prozent. Die Gewerkschaften sprachen von 75 Prozent.
Während Lehrer und Krankenhauspersonal nur schleppend dem Aufruf folgten, kam vielerorts der öffentliche Nahverkehr und die Müllabfuhr zum Erliegen. Mehrere Mittelmeerhäfen mussten geschlossen werden. Die Beamtenparkplätze vor den Ministerien in der Hauptstadt Madrid waren so gut wie leer. In Katalonien fuhren keine Regionalzüge und das Autonomiefernsehen ging mit einem Notprogramm auf Sendung.
Am Abend des Streiktages gingen in den großen Städten des Landes Zehntausende auf die Straßen. Der Protest im Öffentlichen Dienst könnte nur der Anfang gewesen sein. Hinter den Kulissen planen die Gewerkschaften längst ein Generalstreik. Wenn Zapatero mit seiner Drohung ernst macht, das Arbeitsrecht und den Kündigungsschutz am 16. Juni auch ohne Einigung mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden im Alleingang zu ändern, könnte der Ausstand noch vor der Sommerpause kommen.
Steht Spanien am Beginn einer sozialen Bewegung gegen die Sparpakete, wie sie Griechenland erlebt? Die Antwort lautet ganz klar Nein. Denn Spanien hat in den Jahren des Baubooms einen sozialen Wandel erlebt, der sich negativ auf die Mobilisierungsfähigkeit der Gewerkschaften auswirkt. Der Zahlenkrieg zwischen Regierung und Gewerkschaften, was die Streikbeteiligung angeht, kann nicht darüber hinwegtäuschen: Es legten weit weniger als bei früheren Gelegenheiten die Arbeit nieder.
Denn Spaniens Mittelschicht, zu der sich viele Beamten zählen, fühlt sich eher als Besitzer denn als Arbeiter. In den Jahren des Baubooms spielten sie alle Monopoly. Jetzt sind sie dank der Zweit- oder Drittwohnung hoch verschuldet. Die Spekulationsblase ist geplatzt. Anstatt durch ständig steigende Wohnungspreise reich zu werden, sind die Immobilien ein Klotz am Bein. Die private Verschuldung liegt in Spanien bei über 200 Prozent des BIP. Spaniens Krise ist zu einem nicht unerheblichen Teil hausgemacht. Doch sehen will das keiner.
Es macht sich eine Mischung zwischen Fatalismus und einer seltsam anmutenden Erwartungshaltung breit. Nicht etwa die zögerliche Politik der spanischen Regierung, die lange die Krise nicht eingestehen wollte, ist Schuld an der schwierigen Lage des Landes auf den internationalen Finanzmärkten. Es ist Deutschland: Merkel habe bei Griechenland zu lange gewartet. Das habe die Iberische Halbinsel mit in die Schuldenfalle gerissen. Viele sehen Deutschland deshalb in der Verantwortung. Es habe Spanien in den 80ern bei der Aufnahme in die Europäische Union schon einmal unter die Arme gegriffen. Das werde es jetzt wieder tun. Denn schließlich brauche Deutschland den spanischen Markt.
In diesem Diskurs werden die EU-Fonds, die Spanien zu dem machten was es heute ist, zu einer Art Rechtsanspruch ohne Gegenleistung. Und selbstverständlich stellt niemand den allgemeinen Spekulationsrausch in Frage. Ständig wachsender Besitz ohne Arbeit, wurde in den Jahren des Booms zu so etwas wie einem Bürgerrecht. Jetzt wo dieses Trugbild platzt, wird die Schuld im Ausland gesucht und die Lösung auch.