Der spanische Konservative José María Aznar hatte ihn ebenso wie sein sozialistischer Vorgänger Felipe González. Jetzt muss sich auch der aktuelle spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero einem ersten grossen Streik stellen. Heute Dienstag gehen erst einmal nur die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes gegen das Sparpaket auf die Strasse. Doch hinter den Kulissen wird längst ein Generalstreik vorbereitet. Wenn der Sozialist Zapatero mit seiner Drohung ernst macht, das Arbeitsrecht und den Kündigungsschutz am 16. Juni auch ohne Einigung mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden im Alleingang zu ändern, könnte der Generalstreik noch vor der Sommerpause kommen.
Vorbei sind die Zeiten, als sich der 50-jährige Zapatero hoher Beliebtheit erfreute. In der Krise hat er sich förmlich um Kopf und Kragen regiert. Viel zu lange weigerte er sich, zuzugeben, was offensichtlich war. Spaniens Wirtschaft, die ein Jahrzehnt lang dank eines Baubooms überdurchschnittlich wuchs, rutschte unaufhaltsam in den Abgrund.
Zapatero sprach von einer «Verlangsamung des Wachstums» und rief auf zum Konsum. 2008, als die gesamte Welt auf die US-Hypothekenkrise blickte und Böses ahnte, erzählte Zapatero den Seinen, der Staat habe einen Haushaltsüberschuss. Zapatero versprach im Falle einer Wiederwahl im März 2008, jedem Steuerzahler jährlich pauschal 400 Euro zurückzuerstatten und die Vermögenssteuer zu streichen. Und er gewann die Wahl.
Als dann wie absehbar die Spekulationsblase der Immobilienbranche platzte, steckte Spanien gleich in mehreren Krisen: in der hausgemachten Immobilienkrise, der internationalen Finanzkrise und auch in einer Steuerkrise. Über 15 Milliarden Euro kosteten die Geschenke, die Zapatero unter dem Motto «Steuern senken ist links» den Wählern einst andiente. Jetzt sind die staatlichen Kassen leer.
Mit seinem Versuch, die Lage schönzureden, machte Zapatero Spanien auch auf den Märkten unglaubwürdig. Vor einem Jahr sah der Sozialist «grüne Sprossen» beim Wachstum. Prompt straften ihn die Zahlen der eigenen Staatsbank Lügen. Er verkündete die Schaffung von Arbeitsplätzen. Mittlerweile ist jeder Fünfte ohne Job. 2009 prognostizierte er ein Haushaltsdefizit von 5,2 Prozent, das dann auf 9,5 und schliesslich auf 11,2 Prozent korrigiert werden musste. Zuletzt prophezeite Zapatero nur wenige Stunden vor der Rückstufung durch Standard & Poors im Mai eine wirtschaftliche Erholung. Wieder wurde er abgestraft. «Etwas richtigzustellen, ist ein Akt der Weisen, jeden Tag etwas richtigstellen zu müssen, die Handlung eines Narren», erklärte erst kürzlich Zapateros Parteifreund, der frühere spanische Ministerpräsident Felipe González.
Jetzt soll alles anders werden. Zapatero will regieren und dabei «die Interessen Spaniens» über die seiner Partei stellen. Bis 2013 soll das Haushaltsdefizit wieder auf drei Prozent zurückgespart werden. Im Haushalt wurde gestrichen, wo es nur geht. Hinzu kommen soziale Einschnitte. So wurde die Geburtsprämie abgeschafft, die Renten eingefroren und die Gehälter im öffentlichen Dienst um durchschnittlich fünf Prozent gesenkt. Das bringt am Dienstag die dortigen Angestellten auf die Strasse. Die Betroffenen sind enttäuscht. Denn Zapatero hatte immer wieder versprochen, dass die einfachen Leute nicht für die Krise zahlen müssten. Jetzt bezeichnet er die Gehaltskürzung als «Solidarbeitrag», traut sich aber – anders als sein portugiesischer Nachbar José Socrates – bisher nicht, eine Reichensteuer einzuführen. Die hat er bei seinen Auftritten vor der Parteibasis immer wieder angekündigt.
Dürften die Spanier am kommenden Sonntag an die Urnen, würden die Sozialisten verlieren. Die konservative Volkspartei (PP) würde die absolute Mehrheit im Parlament gewinnen. Das Urteil über Zapatero fällt eindeutig aus. 86 Prozent der Wähler haben – so eine Umfrage der Tageszeitung «El País» – wenig oder überhaupt kein Vertrauen mehr in Regierungschef Zapatero.
Doch dies ist nur ein Teil der Wahrheit. Denn auch die PP weckt nur wenig Vertrauen. 73 Prozent glauben, dass die Konservativen, die bisher der Regierung die Zusammenarbeit bei der Krisenbekämpfung verweigerten, nicht besser regieren würden. 75 Prozent wünschen sich deshalb ein Ende der politischen Zerstrittenheit und glauben, dass eine Grosse Koalition die Lösung wäre. Dass dies mit den derzeitigen Politikern nicht machbar ist, davon sind 77 Prozent überzeugt. Sie wünschen sich neue Kandidaten bei beiden Parteien. Spanien steckt nicht nur in einer wirtschaftlichen, sondern auch in einer politischen Krise.