Demonstration in Madrid im März 2008 nach einem tödlichen ETA-Anschlag.
„Wir können nicht glauben, dass Reden und Praktiken, die zu einer Selbstisolierung als Gruppe führen, die richtige Strategie sind“, heißt es in einem offenen Brief der beiden historischen ETA-Mitglieder Joseba Urrrusolo und Carmen Gisasola aus dem Gefängnis in Cordoba. In den Schreiben, das Ende September in der nationalistischen Tageszeitung Gara veröffentlicht wurde, verteidigen die beiden eine Dialoglösung. Diese hätte zum Ende des Konfliktes führen können, „mit Schritten im Friedensprozess, in der Dynamik und den Hoffnungen, die in der Gesellschaft entstehen.“ Nur so könne die nationalistische Linke „eine breite soziale Basis zusammenführen“.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich namhafte Gefangene zu Wort melden. Immer wieder zirkulieren Diskussionspapiere unter den über 700 Inhaftierten aus ETA und Umfeld, die ein Ende des bewaffneten Kampfes fordern. Die ETA-Führung reagiert auf Kritik mit Härte. Zwei inhaftierte, historische ETA-Führer wurden aus dem Gefangenkollektiv ausgeschlossen. Urrusolo und Gisasola kamen dem zuvor, indem sie den Austritt erklärten.
Unter den Gefangenen machte sich bereits während des Dialogprozesses Unmut breit. Anders als bei früheren Gelegenheiten machte ETA die Freilassung der Inhaftierten nicht zum Thema. Innerhalb und außerhalb der Gefängnismauern wurde dies von so manchem als Beweis dafür gewertet, dass es die Separatisten nicht wirklich ernst meinten, wenn sie von einem Ende der Gewalt redeten. „Als wir in den 80ern den Ausstieg verhandelten, stand die Frage der Wiedereingliederung der Gefangenen ganz oben auf der Tagesordnung“, wunderte sich das ehemalige Mitglied der Anfang der aufgelösten ETA/ político-militar, Eduardo Uriarte, über den Verlauf des jüngsten Dialogs des einzigen ETA-Flügels, der bis heute weiterkämpft, mit der Regierung.
Auch im ETA-Umfeld wurden nach Ende des Waffenstillstandes kritische Stimmen laut. In einem internen Diskussionsprozess der seit 2003 verbotenen ETA-nahen Batasuna verlangte so mancher ein schnelles Ende der Gewalt. ETA freilich wollte dies nicht zulassen. Mit mehreren Bomben machte die Gruppe klar, wohin die Reise zu gehen hat. Die letzte spektakuläre Aktion gelang den Separatisten am 21. September. In nur 24 Stunden verübte sie drei Anschläge. Eine Autobombe wurde vor einem Kommissariat der Baskenpolizei Ertzaintza gezündet, eine weitere vor dem Sitz einer der größten baskischen Sparkassen und eine dritte vor einer Militärakademie. Nur zweimal zuvor hatte ETA die Fähigkeit zu einer Welle von Attentaten in einem so kurzen Zeitraum bewiesen, 1987 in Madrid und 2002 in Sevilla. Laut baskischer Presse hat ETA die Basis wissen lassen, dass ein langer, harter Kampf bevorstehe, und nichts für erneute Verhandlungen oder die Niederlegung der Waffen in den kommenden Jahren spreche.
Die Demonstration der Stärke kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass ETA mit dem Rücken an der Wand steht. Noch nie saßen so viele Etarras in Haft wie heute. Im Juli wurde eines der zwei operativen Kommandos der Separatisten völlig zerschlagen. Das Batasuna-Büro im französischen Baskenland wurde Ende September durchsucht, 13 Führungsmitglieder festgenommen. Nur wenige Tage zuvor erließ der Oberste Gerichtshof ein Verbot der beiden Nachfolgeparteien von Batasuna, ANV und EHAK.
Das ETA-Umfeld läuft damit Gefahr im kommenden Jahr nicht an den baskischen Autonomiewahlen teilnehmen zu können. Die Prophezeiung der beiden Gefangen Urrusolo und Gisasola könnten sich dann bewahrheiten. Falls die nationalistische Linke weiter auf Gewalt setzte, „wird sie das Potential verlieren, das es ihr erlaubt Motor für die Zukunft des Baskenlandes“ zu sein, warnen die beiden in ihrem offenen Brief.