© 2012 Reiner Wandler

#14N Generalstreik legt iberische Halbinsel lahm

Es war eine Premiere. Am Mittwoch traten Spanien und Portugal erstmals gemeinsam in einen eintägigen Generalstreik. Die Gewerkschaften in den beiden Ländern auf der iberschen Halbinsel protestierten damit gegen die von Brüssel verordnete Sparpolitik. Während in Spanien alle großen Gewerkschaften den Ausstand unterstützten, mobilisierte in Portugal hauptsächlich die postkommunistische CGTP. Die Führung der sozialistischen Schwesterorganisation UGT schloss sich dem Streik nicht an. Doch die Hälfte ihrer Unterorganisationen akzeptierten die Entscheidung nicht, und riefen ihre Mitglieder ebenfalls auf die Straße. Am Abend gingen in den meisten Städten Portugals und Spaniens Hunderttausende auf die Straße. In der restlichen EU mobilisierten die Gewerkschaften ebenfalls zu Kundgebungen im Rahmen eines „Europäischen Aktionstags“ gegen die Austeritätspolitik.

„Europa wird von den sogenannten Finanzmärkten, den Wirtschaftseliten und dem neoliberalen Kapitalismus gelenkt. Sie führen uns in den sozialen und wirtschaftlichen Selbstmord“, rief der Vorsitzende der spanischen CCOO, Ignacio Fernández Toxo, kurz vor Mitternacht Zehntausenden Gewerkschaftern zu, die sich auf der Puerta del Sol im Zentrum Madrids versammelt hatten. „Europa wird von nicht demokratisch gewählten Institutionen regiert“, fügte Toxo hinzu. Dies gelte auch für Bundeskanzlerin Merkel. „Die Deutschen haben sie gewählt, aber die Spanier, Portugiesen und Griechen nicht.“
Nach Ende der Kundgebung zogen Tausende als Streikposten durch die Madrider Nacht. Bei einzelnen Auseinandersetzungen wurden bis zum Morgen in ganz Spanien 68 Menschen verhaftet. 34 wurden verletzt. Es war der zweite Generalstreik gegen die Regierung des konservativen, spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy und der neunte, seit Spanien in den 1970er Jahren zur Demokratie zurückkehrte.
Die Madrider Regierung spricht von „Normalität“. Doch die Daten der Gewerkschaften zeichnen ein anderes Bild. Die Industrie des Landes kam bereits in der Nachtschicht völlig zum Erliegen. Auf den großen Flughäfen des Landes wurden mehrere Hundert Flüge gestrichen, die Häfen blieben geschlossen, die Großmärkte verzeichneten kaum Aktivität, die Müllabfuhr funktioniere ebenso wenig, wie die Schulen und Universitäten. U-Bahn, Buse und Züge verkehrten nur mit einem Notfahrplan. Die öffentlichen Regionalfernsehen sendeten ein Standbild oder Notprogramme ausgestrahlt. In den Zeitungsredaktionen blieben die Schreibtische leer. Der Stromverbrauch ging – so der Netzbetreiber REE – um 18 Prozent zurück.
Die meisten Geschäfte in den Innenstädten ließen ihre Läden unten. Nur einige große Kaufhäuser öffneten ihre Türen unter starkem Polizeiaufgebot. Doch die Kunden blieben weitgehend aus. Denn parallel zum Streik hatten die Gewerkschaften und einige Verbraucherverbände zu einem Konsumentenboykott gerufen.
Im benachbarten Portugal sah es ähnlich aus. Der dritte Generalstreik gegen den dortigen konservativen Regierungschef Pedro Passos Coelho brachte Wirtschaft und Verwaltung weitgehend zum Erliegen. „Die Troika soll sehen, wie das Land war, bevor sie hierher kamen und wie es jetzt ist“, erklärte der CGTP-Generalsekretär Arménio Carlos. Die Vertreter der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF), die mit eiserner Hand über Portugals Sparkurs wachen, befinden sich derzeit in Lissabon, um die Kassen der Regierung zu prüfen und über weitere Hilfszahlungen aus dem Rettungsfond zu entscheiden. Spanien hat bisher nur EU-Hilfen für die Rettung der Banken und Sparkassen beantragt. Doch die hohen Zinsen für Staatsanleihen lassen ein Gesuch an den europäischen Rettungsschirm immer wahrscheinlicher werden.

Was bisher geschah: