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Iberdrola und Acciona: Neue Wege

Spaniens Branchenführer in Sachen Windenergie versuchen ihre Position zu stärken. Klassenprimus Iberdrola stockt das Kapital auf und fusioniert mit der Tochter Iberdrola Renovables. Und die Nummer 2, Acciona, kündigte an, einen Partner für die Produktion von Windgeneratoren suchen zu wollen. Die Krise an der Börse und auf dem Heimatmarkt lässt die beiden Konzerne neue Wege einschlagen.

Iberdrola, der fünfgrößte Stromversorger weltweit, plant eine kompletten Rückführung der Tochter Iberdrola Renovables in das Stammunternehmen. Nach nur drei ein halb Jahren endet damit der Börsenausflug der Tochter, die mit 12.532 installierten Megawatt (MW) zum Jahreswechsel einmal mehr Weltmeister in Sachen Windenergie war. „Die Branche für erneuerbare Energien wird von der Börse nicht entsprechend gewürdigt“, beschwert sich ein Konzernsprecher von Iberdrola.

Im Dezember 2007 wurden 20 Prozent des Kapitals an Kleinanleger verkauft. 5,30 Euro kostete das Wertpapier damals. Nur einen Monat stieg der Börsenwert über diesen Betrag. Danach ging es trotz einer Erfolgmeldung nach der anderen bergab. „Mit dem Rückkauf der Aktien bieten wir den Aktionären von Iberdrola Renovables die Gelegenheit eine bessere und rentablere Investition zu tätigen“, begründet der Konzernsprecher die Entscheidung, die noch diesen Sommer umgesetzt werden soll.

Für Iberdrola selbst ist der Rückkauf ein Schnäppchen. Zwar will das Stammhaus beim Aktientausch einen Wert von 16,7 Prozent über dem Durchschnitt der letzten sechs Monate ansetzen und eine Zusatzdividende zahlen, doch ist die Tochter heute 44 Prozent weniger Wert als am Ausgabetag im Dezember 2007. Ursprünglich dachte Iberdrola an eine Kapitalaufstockung, um den Rückkauf zu finanzieren. Doch vor Anfang März nahm das Unternehmen mit Sitz im nordspanischen Bilbao Abstand von diesem Verfahren. Um Stammhausaktien gegen Tochteraktien zu tauschen sollen Iberdrola-Anteile am Markt aufgekauft werden.

Möglich wird dies durch eine Kapitalaufstockung um 6,17 Prozent von au゚en. Die 2,012 Milliarden Euro kommen vom Souveränitäsfond der arabischen Kleinstaates Qatar, die Qatar Holding. Der Fond, der das Geschäft mittels seiner europäischen Niederlassung in Luxemburg tätigt, wird mit 6,16 Prozent zum drittgrößten Einzelaktionär nach dem spanischen Baukonzern ACS (19 Prozent) und der spanischen Bank BKK (6,5 Prozent).


Der Einstieg der Qatar Holding hat das Aktionärsgefüge im Interesse des Iberdrola Präsidenten Ignacio Sánchez Galán verschoben. Dieser streitet sich seit Jahren mit dem Chef des Iberdrola Großaktionärs ACS, Florentino Pérez. Dieser fordert seit langem erfolglos einen Einzug in den Aufsichtsrat. Der Anteil des Bauunternehmers, der auch dem spanischen Rekordfußballmeister Real Madrid vorsteht, sinkt durch die Kapitalaufstockung von 20,2 Prozent auf 19 Prozent. Pérez hatte erst zum Jahreswechsel angekündigt, 30 Prozent von Iberdrola zusammenkaufen zu wollen, um dann ein Übernahmeangebot vorzulegen. Durch den Einstieg der Qatar Holding wird dies jetzt schwieriger. Die Araber kennen Pérez gut, lernten sie sich doch beim Kampf um die deutsche Hochtief kennen. Dort erreichte Pérez sein Ziel. Er übernahm den deutschen Baukonzern trotz der Investition aus Qatar.

Doch dies ist nicht der einzige strategische Zug, den Iberdrola mit Kapitalaufstockung und Fusion bezweckt. Iberdrola Renovables, die in 23 Ländern vertreten ist, war bisher das Wachstumsgeschäft für Iberdrola. Doch Unsicherheiten auf den beiden Stammmärkten Spanien – mit 5302,58 installierten MW – und den USA – mit 4633,72 MW – lassen die die Konzernführung in Bilbao unruhig werden. Insgesamt hat der Iberdrola Renovables eine Pipeline von 14.179 MW weltweit, die als „wahrscheinlich“ eingestuft werden – 2.653 MW alleine in Spanien und 8776 MW in den USA. Doch beide Länder wei゚en Unsicherheiten auf. Auf dem Heimatmarkt Spanien ist nicht klar, unter welchen Bedingungen ab 2013 neue Windanlagen installiert werden. Die sozialistische Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero verspricht seit Monaten ein neues Gesetz, nachdem das bisher gesteckte Ziel von 20.155 MW bis Ende 2010 von der Branche erfüllt wurde. Doch die Regelungen für die Zukunft lassen aus sich warten.

Das gleiche gilt für den US-Markt. Bisher lief das Geschäft gut. Rund eine Milliarde Dollar an Vorab-Steuerkrediten (Cash Grants) haben die Spanier in den vergangenen Jahren für ihre umfangreichen Projekte an Land gezogen. Die derzeitigen Regelungen für Neuinvestitionen laufen allerdings 2012 aus. Irgendwie wird es wohl weitergehen. Doch wie, das weiß angesichts des bevorstehenden US-Präsidentschaftswahlkampfes keiner so genau zu sagen. Die Republikaner machen Stimmung gegen die Unterstützung neuer Energieformen. Präsident Obama und seine nach den Midterm-Wahlen stark angeschlagenen Demokraten haben andere Sorgen, als sich für Wind und Sonne in die Bresche zu schmeissen. „Deshalb ist es nötig, Vorsicht walten zu lassen“, heißt es bei Iberdrola.

„Iberdrola investiert in Netze und Stromverteilung, denn da gibt es in Ländern wie dem Vereinigten Königreich und den USA gute Normen“, erklärt der Konzernsprecher. Außerdem breitet sich Iberdrola auf dem brasilianischen Netzmarkt aus. Dort halten die Spanier bei Neoenergia 39 Prozent. Jetzt haben die Spanier für 2,4 Milliarden Euro Brasil Elektro hinzugekauft. Elektro ist mit 105.792 Kilometer Verteilernetz die Nummer neun am brasilianischen Netzmarkt. Gleichzeitig kündigte Iberdrola einen Investitionsrückgang bei der Windenergie für 2010-2012 um 2,2 Milliarden Euro auf 5,3 Milliarden an. Dieser Betrag deckt somit den Kauf von Elektro fast ganz ab, obwohl dies „nicht direkt in Verbindung steht“, wie die Konzernzentrale versichert.

Auch bei Spaniens Windparkbesitzer Nummer 2, dem Mischkonzern Acciona, stehen wichtige Entscheidungen an. Die Windsparte des Unternehmens sucht „eine strategische Allianz um mit den gro゚en weltweiten Herstellern in Wettbewerb treten zu können“, erklärte der Präsident des Unternehmens, José Manuel Entrecanales, als er die Bilanz 2010 vorlegte. Acciona Windpower hat ein „schwieriges Jahr“ hinter sich. Das Unternehmen mit Fabriken in Spanien und den USA stellt Generatoren mit 1.500 und 3.000 Kilowatt (kW) her. Nach eigenen Angaben wurden bisher weltweit 3.000 MW in insgesamt 75 Parks in zwölf Ländern installiert.

Doch die Fabrikation von Windgeneratoren steckt in einer tiefen Krise. Belief sich der Gewinn vor Steuern 2009 auf 4 Millionen Euro, sind es 2010 nur noch 2 Millionen Euro. Und bei den Produktionszahlen macht sich die krise noch deutlicher bemerkbar. 2010 lieferte Acciona Windpower Generatoren mit einer Gesamtkapazität von 348 MW aus. Vor der internationalen Krise 2008 waren es viermal so viel.

Auf Nachfragen, was für einen Partner sich Acciona wünscht – einen reinen Investor oder eine führende Marke, die Technologietransfer bieten kann – schweigt sich der Acciona-Führung aus. Nur eines wies Entrecanales auf einer Konferenz mit Börsenanalysten weit von sich: „Wir wollen unser Turbinengeschäft nicht verkaufen.“/Zuerst veröffentlicht: Neue Energie 4/11

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