© 2010 Reiner Wandler

AA – zwei unbequeme Buchstaben

Es war ein Schlag ins Gesicht. Nur wenige Stunden nachdem Spaniens Regierungspräsident José Luis Rodríguez Zapatero im Parlament von einer bevorstehenden „Erholung der Wirtschaft“ sprach, stufte die Ratingagentur Standard&Poor’s sein Land von AA+ auf AA herunter.

Die Prognosen Zapateros sind für S&P zu optimistisch. Während er bis 2013 von einer bereinigten, jährlichen Wachstumsrate von 1,9 Prozent spricht, geht die US-Agentur nur von 0,6 Prozent aus. Damit übertrifft S&P in Sachen Pessimismus selbst den Internationalen Währungsfond (IWF), der Spanien ein Wachstum von 1,2 Prozent vorhersagt. „Niemand sieht so schwarz wie S&P“, titelte die größte spanische Tageszeitung gestern eine Analyse der Lage und versucht ihre Leser zu beruhigen: „Das gute, selbst in diesem extremen Szenario gibt uns S&P noch die Note gut.“

„Spanien ist nicht Griechenland“, heißt der Standardsatz der Regierung in Madrid. Die Zahlen bestätigen dies. Zwar hat Spanien mit 11,2 Prozent 2009 ein Haushaltsdefizit das in der EU nur vom Vereinigten Königreich (11,5) Griechenland (13,6) und Irland (14,3) übertroffen wird, doch ist die Staatsverschuldung mit 53,2 Prozent gering. Damit liegt Spanien weit hinter dem ebenfalls krisengeschüttelten Nachbarn Portugal (76,8) und sogar hinter Deutschland (73,2).

Das Problem Spaniens ist ein anderes. Zu lange leugnete Zapatero aus wahltaktischen Gründen die Krise. Während Ende 2007 überall auf dem europäischen Kontinent Stimmen laut wurden, die zur Sparsamkeit mahnten, rief Zapatero seine Spanier zum konsumieren auf und machte gar Steuergeschenke. Von einer bevorstehenden Krise, kein Wort. Wer ihm widersprach wurde als „antipatriotisch“ beschimpft. Erst nach den Wahlen im März 2008 rückte er langsam mit der Wahrheit heraus. Immer wieder wurden Wirtschaftsprognosen nach unten korrigiert.

Die Krise in Spanien ist nicht nur international, sie ist zu einem guten Teil hausgemacht. Zehn Jahre lang wuchs Spanien unaufhörlich dank eines Baubooms. Nach dem Ende der Spekulationsblase sieht das Panorama verheerend aus. Die Steuereinnahmen gehen zurück, die Sozialausgaben und Kosten für Stimmulierungspakete steigen. Gleichzeitig schulden Spaniens Unternehmen und Familien den Banken mehr als das Doppelte des BIP. Immer mehr Banken vermelden hohe Kreditausstände. Hunderttausende Wohnungen finden keine Abnehmer. Und die Hypotheken der verkauften, überteuerten Wohnungen lasten schwer bei einer Arbeitslosigkeit von 20 Prozent. Genau hier macht S&P seine schwarze Zukunftsvision fest.

Die Prognosen von S&P „liegen ganz klar unter denen der meisten internationalen Experten“, versuchte gestern ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums die Investoren zu beruhigen. Während im benachbarten Portugal kurz nach der Rückstufung durch S&P auf A- Regierung und Opposition gemeinsam vor die Presse traten, um das Sparpaket, das Steuererhöhungen und Senkung der Staatsausgaben vorsieht, zu verteidigen, streiten sich in Spanien Zapateros Sozialisten und die Konservativen weiterhin.

Die Regierung habe jegliche Glaubwürdigkeit verloren, erklärt die Opposition und blockiert im Parlament Sparmaßnahmen und Steuererhöhungen, wann immer dies möglich ist. Die Konservativen würden Spanien schlecht reden, hält die Regierung einmal mehr dagegen. Die Verhandlungen zu einem Sozialpakt um die Wirtschaft wieder anzukurbeln wurden am Mittwoch wieder einmal vertagt. Einzig gute Nachricht: Die Börse in Madrid beruhigt sich wieder. Nachdem der Ibex in nur zwei Tagen um 7 Prozent gefallen war, schloß er gestern mit einem Plus von 2,7 Prozent.

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