Als „la Traviata in C-moll“ bezeichnete die spanische Nachrichtenweb El Plural, das was da in den letzten Wochen vor Gericht passiert. Immer mehr Angeklagte in den Korruptionsfällen rund um die konservative Regierungspartei Partido Popular (PP) „singen“. Detailliert berichten sie, wer, wo, wann, wofür und wozu Schwarzgeld kassiert hat. Ministerpräsident Mariano Rajoy gerät durch die Ermittlungen immer stärker unter Druck.
Bald schon vor Gericht? – Regierungschefin der Region Madrid, Cristina Cifuentes mit Spaniens Premier Mariano Rajoy.
Unter denen, die ihr Schweigen gebrochen haben befinden sich der ehemalige Generalsekretär der PP in der Mittelmeerregion Valencia, Ricardo Costa. Er legte dar, wie die Partei die Wahlkämpfe 2007 bis 2011 mit Schwarzgeld finanziert hatte. In Madrid trat der ehemalige Kabinettschef der Landesregierung Francisco Granados vor den Richter und bestätigte, dass es in seiner Region nicht anders ausgesehen habe.
Die Gelder stammten hauptsächlich vom Netzwerk „Gürtel“ – so der Codename der Ermittler für das größte Korruptionsgeflecht rund um die PP. „Gürtel“ ist die Übersetzung des Nachnamen des Unternehmers, der die schmutzigen Geschäfte abwickelte, Francisco Correa. Egal ob Großaufträge der Landesregierungen, die Organisierung und die TV-Übertragung des Besuches von Papst Benedikt XVI im Juli 2006 in Valencia, das Rennen der Formel 1 in der Stadt oder der Ausbau des U-Bahnsystems in Madrid, die Partei kassierte immer ab. Das Netzwerk fädelte Geschäfte ein, stellte falsche Rechnungen aus, oder arbeitete gegen Schwarzgeld – neben Schmiergeldern auch illegale Parteispenden von Großunternehmern – im Wahlkampf für die PP. Selbst die Parteizentrale in Madrid wurde aus der Schwarzgeldkasse reformiert.
Insgesamt werden derzeit 65 Korruptionsfälle der PP verhandelt. Hunderte stehen vor Gericht. Es geht dabei um Milliarden von Euro. Alleine das Netzwerk Gürtel hat – so Berechnungen der Presse – knapp eine Milliarde Euro beiseite geschafft. Correa bereicherte sich mit mindestens 119 Millionen Euro. Seine Nummer zwei, Pablo Crespo, verdiente etwa halb soviel und der ehemalige PP-Buchhalter Luis Bárcenas verbarg rund 90 Millionen Euro auf ausländischen Konten.
Schon in den nächsten Wochen könnten – dank der Aussagen von Granados – in der Hauptstadtregion Madrid weitere hohe PP-Politiker vorgeladen werden. Unter anderem befinden sich die ehemalige Chefin der Regionalregierung, Esperanza Aguirre und die derzeit regierende Cristina Cifuentes im Blickpunkt der Justiz. Gegen einen weiteren ehemaligen Landesvater Madrids, Ignacio González, wird bereits ermittelt. Er soll unter anderem mittels Geschäfte der Wasserwerke Millionen in die eigenen Tasche gewirtschaftet haben.
Auch Gürtel-Chef Correa hatte Anfang des Monats seinen Auftritt. Er redete per Videokonferenz aus der Untersuchungshaft vor einem Untersuchungsausschuss im spanischen Parlament. Correa beschuldigt den spanischen Ministerpräsidenten Rajoy ganz direkt. Dieser sei über alles im Bilde gewesen und „hat sein OK gegeben“ beendete der Gürtel-Chef seine Aussagen.
Es ist nicht das erste Mal, dass Rajoys Name im Zusammenhang mit der Korruption seiner Partei fällt. Ex- Kassenwart Bárcenas führte ein handschriftliches Kassenbuch mit den Einnahmen und Ausgaben aus dunklen Quellen. Das Buch ist einer der Hauptbeweise, nachdem die Festplatten aus Bárcenas Rechnern in der Parteizentrale mutwillig zerstört wurden, bevor sie das Gericht beschlagnahmen konnte.
Eine der Zahlungen, die er aus der Schwarzgeldkasse tätigte, waren Zusatzgehälter für hohe Parteifunktionäre. Im Buch ist auch ein „M. Rajoy“ mit insgesamt 350.000 Euro vermerkt. Der Chef-Inspektor der Anti-Korruptionsabteilung der spanischen Polizei, Manuel Marrocho bestätigte im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, das alle Indizien darauf hindeuten, dass Rajoy tatsächlich größere Summen in die eigenen Tasche steckte. Dennoch wurde Rajoy bisher nur als Zeuge vor Gericht geladen.
Die Parteispitze macht einmal mehr, was in den letzten zehn Jahren funktionierte. Sie versucht die immer schwerer wiegenden Vorwürfe auszusitzen. Auf die Frage, ob er belegen könne, dass die PP sich weder in Valencia noch in Madrid illegal finanziert habe, antwortete PP-Fraktionssprecher Rafael Hernando. „Ich bin Parteimitglied in Almeria.“ Und beendete die Pressekonferenz. Am Tag darauf konnte er in einigen Medien die Korruptionsfälle aus seiner Heimatprovinz nachlesen./Foto: Equipo Cifuentes