© 2016 Reiner Wandler

Ein Weihnachtsgeschenk der anderen Art

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Spaniens Krise ist nicht zu Ende. Pünktlich zu Weihnachten kündigt der Minister für Öffentliche Arbeiten, Iñigo de la Serna eine neue unangenehme Überraschung für den Steuerzahler an. Neun Maut-Autobahnen sind bankrot. Dank einer Vertragsklausel ist die konservative Regierung unter Ministerpräsidenten Mariano Rajoy verpflichtet, diese jetzt aufzukaufen. Die Summe dafür wird sich auf bis zu 5,5 Milliarden Euro belaufen. Das sind 0,5 Prozent des spanischen Brutto-Inlandsproduktes (BIP). Nutznießer sind mehrere Großbanken, sowie die größten spanischen Bauunternehmen, darunter ACS von Real Madrid Präsident Florentino Pérez.

Insgesamt sind 625 Kilometer von der Notverstaatlichung betroffen. Fünf der neun Autobahnen laufen sternförmig auf Madrid zu und sollen den Verkehr auf den parallel dazu verlaufenden regulären Autobahnen entlasten. Zwei weitere Schnellstraßen befinden sich an der Mittelmeerküste, eine in Zentralspanien, und eine verbindet den Madrider Autobahnring mit dem Flughafen. Die Verstaatlichung sei nötig, um sicherzustellen, dass „die Autobahnen weiterhin befahrbar sind und die Bürger sie nutzen können“, erklärt De la Serna.

Doch genau hier liegt das Problem. Die Autobahnen, die alle unter der ebenfalls konservativen Regierung von José María Aznar, der der heutige Regierungschef Rajoy als Minister angehörte, gebaut wurden, sind leer. Täglich benutzen sie nur knapp 19.000 Spanier. Die Regierung Aznar setzte Anfang der 2000er Jahre auf private Finanzierung von Infrastrukturen, um das staatliche Defizit in Grenzen zu halten. Die Bauherren der Autobahnen sollten mittels Maut ihre Auslagen sowie Gewinnen erwirtschaften. Doch ohne Kunden funktionierte das nicht.

De la Serna will jetzt mit den Banken verhandeln, damit diese auf die Hälfte ihrer Schulden verzichten. Doch das wird nicht leicht. „Viele Banken haben ihre Schulden weiterverkauft“, weiss der Minister. De la Serna muss wohl mit den Käufern, meist sogenannte Heuschreckenfonds, reden.

Verkehrsexperten hatten von Anfang an vor dem Bau der Mautstrecken gewarnt. Die Schätzung des Verkehrsaufkommens sei völlig überhöht gewesen. Vor allem bei den Autobahnen in Madrid gingen die Vorhersagen von neuen Siedlungen aus, die entlang der Schnellstraßen entstehen sollten. Nur die wenigsten wurden gebaut. Als die Spekulationsblase im Immobiliensektor platzte, waren die Autobahnen dem Tod geweiht.

 

Die Konzerne, die die Straßen bauten sind zugleich Betreiber. Das führte zu völlig überhöhten Baukosten. Ein spanischer Autobahnkilometer war zu Zeiten Aznars doppelt so teuer wie in Deutschland, oft bei schlechterer Qualität. Vor allem bei der Enteignung der Ländereien für die Straßen bezahlten die Baukonzerne Unsummen. Statt 400 Millionen Euro schlugen die Enteignungen mit über zwei Milliarden zu Buche. Schuld daran war unter anderem ein Gesetz für Grund und Boden Aznars, das alle Ländereien zu potentiellem Bauland erklärte, um so den Bauboom zusätzlich anzukurbeln.

 

Die Oppositionsparteien, die sozialistische PSOE und Podemos, verlangen, dass De la Serna umgehend vor dem Parlament Rede und Antwort steht. Verbraucherverbände sind empört. „Während die Regierung Maßnahmen verhindert, die es unmöglich machen, dass bedürftigen Familien Strom und Gas abgedreht wird, akzeptiert sie neue Schulden um einmal mehr Banken und Baukonzerne zu retten“, erklärt die Vorsitzende des Verbraucherverbandes FACUA, Olga Ruiz.

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