© 2015 Reiner Wandler

Schwierige Wahl

mg

„Wenn du auswanderst, hast Du das Gefühl, alle Rechte zu verlieren, für dein Land existierst Du einfach nicht mehr“, beschwert sich Laura Morillas. Die 35-Jährige Biologin aus dem spanischen Almeria lebt und arbeitet in Vancouver in Canada. Sie ist eine von 1,9 Millionen SpanierInnen, die am kommenden Sonntag bei den Parlamentswahlen eigentlich Wahlrecht haben, dies aber nur sehr schwer gültig machen können. Denn das spanische Gesetz sieht vor, dass die Emigranten ein Konsulat aufsuchen, dort einen Antrag stellen, um die Unterlagen für die Briefwahl zugeschickt zu bekommen. Im Falle von Morillas ist das nächste Konsulat im 4.500 Kilometer entfernten Toronto. Ein unmögliches Unterfangen.

„Nur 7 Prozent der Auslandsspanier beantragen ihre Wahlunterlagen“, berichtet María Almena. Nur die Hälfte davon erhält üblicherweise die Unterlagen rechtzeitig. Almena ist Sprecherin der Auswandererbewegung Marea Granate, Grantrote Flut. Die Bewegung, die aus den Reihen der „Empörten“ entstand, organisiert in vielen Ländern Basisversammlungen meist junger Auswanderer. „Vor allem derer, die in Folge der Krise Spanien verlassen haben“, berichtet die junge Forscherin am Institut Pasteur in Paris. Seit 2011 sind es 700.000 neue Emigranten. Ob bei den Europawahlen im Mai 2014, den Regionalwahlen im Mai 2015 oder jetzt bei den Parlamentswahlen, organisiert die Marea Granate immer wieder Proteste für das Wahlrecht weltweit, so auch am vergangenen Sonntag.

Doch die regierenden konservative Partido Popular hat sich mehrmals geweigert, eine Reform des Wahlrechtes überhaupt nur zur Debatte im Parlament zuzulassen. „Sie wissen, dass viele von uns alles andere als konservativ wählen“, ist sich Almena sicher. Denn die PP steht für Krise und Sparpolitik. Wer auswandert, um endlich Arbeit zu finden, macht die Regierungspolitik der vergangenen Jahre dafür verantwortlich.

„Bis 2011 reichte es, sich auf dem Konsulat einzuschreiben, die Wahlunterlagen kamen dann automatisch“, berichtet Almena. Es waren die beiden Großen, die regierende PP und die sozialistische PSOE die mit Unterstützung der katalanischen und baskischen, konservativen Nationalisten im Januar 2011 die heute gültige Regelung per erforderlicher 3/5 Mehrheit verabschiedeten. „Sie wussten, dass die jungen Auswanderer anders als diejenigen, die seit Jahrzehnten vor allem in Lateinamerika leben, eben nicht ihre Klientel sind“, schimpft Almena.

Morillas wird dank der Marea Granate am Sonntag doch noch ihre Stimme abgeben können. Per sozialer Netzwerke bringt die Auswandererorganisation Menschen wie Morillas mit anderen in Spanien zusammen, die nie wählen gehen. Sie „spenden“ ihre Stimme. „Ich habe mit meinem Spender Antonio per email kommuniziert“, erklärt die junge Frau in Vancouver. Antonio wird am Sonntag zur Wahl gehen und für die Partei stimmen, der Morillas ihr Vertrauen schenkt. Über 2000 Paare haben sich dank der Initiative „Rette meine Stimme“ eine Woche vor dem Urnengang bereits gefunden. Weitere 9.000 Auslandsspanier warten auf einen Spender.

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