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Spanien und die portugiesische Krankheit

Ein Wort bestimmt die Debatten in Spaniens Presse und Funk seit Portugal unter den EU-Rettungsschirm schlupfen musste: „Dominoeffekt.“ Mit Sorge schauen die Spanier auf das was im Nachbarland geschieht. „Wer ist der Nächste?“ fragt El País, die größte Tageszeitung des Landes, und verweist auf besorgnisserregende Zahlen. 34 Prozent der öffentlichen und privaten Kredite in Portugal wurden bei spanischen Banken aufgenommen. Die Gesamtsumme beläuft sich auf sieben Prozent des spanischen BIP. Damit hat Spanien die höchste Exposure, wie dies im Finanzjargon heißt. Außerdem sind rund 1.400 spanische Unternehmen im Nachbarland tätig. Die sinkende Kaufkraft der Portugiesen wird sie hart treffen. Kein Land ist so stark mit Portugal verbunden wie Spanien.

Die spanische Wirtschaftsministerin Elena Salgado trat am Donnerstag eiligst vor die Presse und schloss „jedwedes Risiko für Spanien“ aus. Die Wirtschaft des Landes sei „größer, breiter aufgestellt und stärker“. Auch der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), der französische Sozialist Dominique Strauss-Kahn, sowie Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, und die EU-Kommission beschwören die „Stabilität“ Spaniens. Sie müssen einfach Recht behalten. Denn alles andere wäre eine Katastrophe. Spanien ist nicht irgendein EU-Land. Mit seinen über 40 Millionen Einwohnern gehört es zu den Großen der Union. Die Wirtschaftsleistung macht knapp 12 Prozent der EU aus. Eine mögliche Rettung wäre ein wesentlich teureres Unterfangen, als im kleinen Portugal.

Dort wird das Rettungspaket bis zu 85 Milliarden Euro kosten. Rund zwei Drittel sollen aus Brüssel kommen, ein Drittel vom IWF. Am Freitag legten die EU-Finanzminister bei einem Gipfeltreffen in Ungarn einen Fahrplan für die Portugal-Hilfe vor. Portugal muss zunächst ein striktes Sanierungsprogramm ausarbeiten. Das soll in drei Wochen auf EU-Ebene und vom IWF abgesegnet werden. Ende Mai könnten dann die ersten Gelder fließen. Der Haushalt wäre damit gesichert.

Was Spanien angeht, konnten die EU-Finanzminister erst einmal aufatmen. Es kam zu keiner direkten Ansteckung durch die portugiesische Krise. Madrid war am Tag des Hilfegesuchs aus Lissabon in der Lage zusätzliche Staatsanleihen am Markt zu platzieren. Der Risikozuschlag ging dabei sogar leicht zurück. „Es ist wichtig, dass Spanien weitermacht, wo es vor ein paar Monaten angefangen hat“, lobt Trichet die Reformen der sozialistischen Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero. Er mahnt aber gleichzeitig weitere Eingriffe in das Sozialsystem an. Zapatero hat Sozialausgaben gekürzt, die Gehälter im öffentlichen Dienst zusammengestrichen und den Arbeitsmarkt liberalisiert. Doch die Arbeitslosigkeit steigt weiter. Spaniens Wirtschaft wird 2011 nur um die 1,3 Prozent wachsen. Mittlerweile sind in Spanien über 4,7 Millionen Menschen ohne Job. Die Quote liegt damit bei über 20 Prozent.

Längst sind nicht alle Gefahren gebannt. Spaniens Sorgenkinder sind die Banken und Sparkassen. In den Jahren des Baubooms haben sie bereitwillig Kredite an Bauherren und Wohnungskäufer vergeben. Nachdem die Spekulationsblase geplatzt ist, warten sie bei immer mehr Kunden auf die Rückzahlung. 110 Milliarden Euro, sechs Prozent des gesamten Kreditvolumens, wird von den Geldinstituten als „unsicher“ eingestuft.

In diesem Zusammenhang bereiten der Regierung Zapatero die steigenden Leitzinsen seitens der Europäischen Zentralbank Kopfzerbrechen. Die Zahlungsmoral der Kreditnehmer könnte weiter sinken. Und die spanische Wirtschaft ist weniger produktiv als die der anderen großen EU-Länder wie Frankreich oder Deutschland. Steigende Zinsen verstärken dieses Problem noch.

Wirtschaftsministerin Salgado korrigierte die Vorhersagen für die Arbeitslosigkeit um einen halben Prozentpunkt nach oben. Schuld sei der Konsum, der sich nicht wie erwartet beleben würde. Das war vor dem Hilfegesuch Portugals und vor der Zinserhöhung.

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