© 2012 Reiner Wandler
#29S Es wird immer enger
Die Rechnungen der südeuropäischen Krisenländern – Portugal, Griechenland und Spanien – wollen einfach nicht aufgehen. Doch die Bevölkerung ist immer weniger gewillt, weitere Sparmaßnahmen, wie sie die Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfond und EU als Gegenleistung für die Rettungspakete verlangt, hinnehmen. In Portugal mobilisierte gestern die größte Gewerkschaft des Landes, die CGTP, mehr als 300.000 Menschen „gegen Raub an Löhnen und Pensionen“ nach Lissabon. Die CGTP will nicht aufgeben, bis „wir mit der Regierung Schluss machen“ und kündigt für den Herbst einen erneuten Generalstreik an. Die Spanier zogen zum dritten Mal in einer Woche zu Tausenden vor das hermetisch abgeriegelte Parlament und fordern einen „neuen Verfassungsprozess“. „Gemeinsam, um den Sparpakt zu zerbrechen“, lautete das Motto des Generalstreiks am Dienstag in Griechenland. Die ökonomische Krise wächst sich zu einer politischen Krise aus.
Es war eine der größten Demonstration in Lissabon seit der Nelkenrevolution. Neben der CGTP rief ein Facebookbündnis unter dem Motto „Zum Teufel mit der Troika! Gibt uns unser Leben zurück!“. Es entstand erst vor zwei Wochen und kann bereits auf einen einzigartigen Erfolg verweisen: Die Regierung des Konservativen Pedro Passos Coelho nahm nach tagelangen Mobilisierungen eine siebenprozentige Lohnsenkung durch Anhebung der Sozialversicherungsbeiträge zurück. Die Portugiesen haben seit Beginn der Krise bis zu 40 Prozent ihrer Einkommen verloren. Der monatliche Durchschnittslohn liegt noch bei 800 Euro.
Portugal steht mit dem Rücken an der Wand. Das Haushaltsdefizit kann in diesem Jahr nicht auf die versprochenen 4,5 Prozent gesenkt werden. Es muss noch mehr gespart werden, aber wo?
Bei Nachbar Spanien ist die Arbeitslosigkeit das größte soziale Problem. Über 25 Prozent sind ohne Job. Tendenz steigend. Das Land kommt einfach nicht aus der Rezession. Nach drei Sparpaketen von insgesamt über 50 Milliarden Euro, sieht der Haushalt 2013 Kürzungen von weiteren 25 Milliarden Euro vor. 20 Milliarden sollen durch höhere Mehrwertsteuer und neue Abgaben eingenommen werden. Das Geld fließt direkt in die Zinsen für die Staatsschulden. Sie verschlingen mehr, als alle Ministerien ausgeben.
Doch das Sparen ist nicht vorbei. Für ein 100 Milliarden Euro EU-Hilfspaket für die angeschlagenen Banken gestand der konservative Regierungschef Mariano Rajoy Kürzungen von 65 Milliarden bis Ende 2014 zu.
Auf der iberischen Halbinsel macht sich die Angst breit, zu einem neuen Griechenland zu werden. Dort verlangt die Troika weitere 15 Milliarden Euro ungeachtet der sozialen Situation: Wer noch Arbeit hat, verdient im öffentlichen Dienst bis zu 45 Prozent und in der Privatwirtschaft bis zu 30 Prozent weniger, als vor der Krise. Jeder Dritte lebt bereits unterhalb der Armutsgrenze.