© 2018 Reiner Wandler

Das Ende einer Kulturlandschaft droht

Phytophthora cinnamomi treibt sein Unwesen auf der Iberischen Halbinsel. Der Pseudopilz verursacht Wurzelfäule bei Kork- und Steineichen. Die Bäume trocknen innerhalb weniger Monate, manchmal gar in wenigen Tagen, völlig aus und sterben ab. Die Krankheit, die sich immer weiter ausbreitet, ist eine Gefahr für die „Dehesa“, die für weite Teile der Halbinsel typische Landschaft aus Wiesen, Felsen und Steineichen, wo die iberischen Schweine gezüchtet werden. Die Dehesa ist Biosphärenreservat und Anwärter auf den Titel Weltkulturerbe. Rund drei Millionen Hektar in Spanien und Portugal sind Dehesa.

Die Kork- und Steineichenwälder gehören zu den ältesten menschliche Kulturlandschaft Europas. Vor 2000 Jahren begannen die Römer im Westen der Halbinsel, dort wo heute Portugal an Spanien grenzt mit Brandrotung. Die wertvollen Kork- und Steineichen, die bis zu 500 Jahre alt werden können, wurden verschont. Die Korkeichen Portugals liefern den Rohstoff für die Verschlüsse von Wein- und Sektflaschen in ganz Europa. Und in den Steineichenwäldern wird seit dem Mittelalter auf den kargen Böden Viehzucht betrieben.

Bis heute werden auf riesige Landgütern Stiere für die Arena großgezogen und vor allem Schweine gezüchtet. Die typischen schwarzen, iberischen Schweine ernähren sich von den Eicheln der Steineichen. Sie liefern anschließend den besten Schinken, den „Jamón Ibérico“, und die besten und teuersten Wurstsorten Spaniens. Die Produktion wird in alle Welt exportiert. Die Phytophthora könnte das Bild von herumstreunenden Schweineherden schon bald Geschichte werden lassen.

Die Phytophthora hat bereits mehr als eine halbe Million Bäume auf dem Gewissen. Je nach Region sind 15 bis 50 Prozent der Bäume befallen. In Südportugal sind riesige Korkeichenwälder komplett ausgetrocknet. Und der Korkeichen-Naturpark in Südspanien hat in den vergangenen 50 Jahren die Hälfte seines Baumbestandes verloren.

Im Jahr 200 wurden in der Region Extremadurien – die Region mit den meisten Steineichenwäldern – 450 Infektionsherde gezählt, heute, nur 18 Jahre später, sind es 10.000. „Der Klimawandel verschlimmert die Situation“, erklärt Raúl Tapias, Forscher an der Universität im südwestspanischen Huelva. „Der Erreger wird bei hohen Bodentemperaturen virulenter. Da die Szenarien des Klimawandels einen Temperaturanstieg vorhersagen, wird die von Phytophthora betroffene Fläche tendenziell zunehmen“, warnt er in einem Radiointerview.

Phytophthora cinnamomi kommt in 70 Ländern weltweit vor und ist einer der aggressivsten Erreger und nur schwer auszurotten. Der Pseudopilz befällt die Wurzeln. Die kranke Pflanze kann dann weder Wasser noch Nährstoffe aufnehmen und stirbt ab. Der Erreger verbreitet sich über das Wasser.

Die Regionalregierung in Andalusien hat einen Plan aufgelegt, um die Dehesa zu retten. Unter anderem sollen resistente Steineichen gepflanzt werden. Doch können junge Setzlinge, die mindestens 40 Jahre brauchen, bevor sie erstmals Eicheln tragen, die Hunderte von Jahren alten Bäume nur schwer ersetzen.

Die Dehesa hat nicht nur biologische Feinde. Mancherorts werden die Kork- und Steineichenwälder nicht mehr bewirtschaftet. Der Bestand veraltet und es werden keine jungen Bäume nachgepflanzt. In anderen Regionen, vor allem in der Provinz Huelva und Salamanca, wo die teuersten Schinken produziert werden, leiden die Steineichenwälder unter „Stress“, wie dies die Experten nennen. Denn die Viehzüchter haben ihre Bestände vergrössert, um mit einer höheren Produktion den Preisverfall wett zu machen.

Auch die Korkeichenbestände in Portugal sind Opfer einer sozioökonomischen Entwicklung. Die Ernte der Korkrinde ist schlecht bezahlt. Das Personal hat oft nur wenig Erfahrung, arbeitet im Akkord. Bei der Ernte werden immer mehr Bäume verletzt. Dort dringen dann andere Erreger wie die Botryosphaeria und die Biscogniauxia ein. Auch sie führen dazu, dass die Bäume austrocknen./Foto: Dani Montero

Was bisher geschah: