© 2018 Reiner Wandler

Die Technokratin

Wenn jemand aus der am Mittwoch vereidigten Regierung des spanischen Sozialisten Pedro Sánchez mit Vorschusslorbeeren überhäuft wird, dann ist es Nadia Calviño. Die 49-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin und Anwältin aus dem nord-west-spanischen Galicien ist die erste Frau an der Spitze des Wirtschaftsministeriums des Landes. Sie ist damit das Symbol schlechthin für eine Regierung, die mit 11 Frauen und – Sánchez inklusive – nur mit sieben Männern besetzt ist.

Calviño ist alles andere als eine Quotenfrau. Hinter der Mutter von vier Kindern liegt eine steile Karriere. Nach zehn Jahren in der spanischen Verwaltung, wo sie Posten bis hinauf zur Generaldirektorin für Wettbewerb im Wirtschaftsministerium inne hatte, wagte sie 2006 im Tross des spanischen Sozialisten und Wettbewerbskommissars in der Europäischen Kommission, Joaquín Almunia, den Sprung nach Brüssel. Dort war sie zuletzt die Nummer 2 des deutschen Kommissars für Haushalt und Personal, Günther Oettinger. Calviño war massgeblich an den Brexit-Verhandlungen beteiligt, arbeitete den EU-Haushalt aus, und hatte eine Dienststelle mit 500 Beschäftigten unter sich. Jetzt geht es zurück in die Heimat. Für jährlich 140.000 Euro weniger – so die konservative, spanische Tageszeitung ABC – wird sie über das Defizit Spaniens zu wachen haben. Keine einfache Aufgabe. Denn auch im elften Jahr nach Ausbruch der Krise verfehlt Spanien die Vorgaben durch die EU.

Calviños Verbundenheit zur sozialistischen Partei PSOE kommt von Haus aus. Vater José María Calviño war unter dem ersten sozialistischen Regierungschef nach der Franco-Diktatur, Felipe González, Chef der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt RTVE. Doch ihre Karriere im Umfeld der Sozialisten macht Calviño nicht politisch blind. Die als sozialliberal geltende Frau unterhält hervorragende Beziehungen zum Landesvater ihrer Heimatregion Galicien, Alberto Nuñez Feijóo, der als möglicher Nachfolger des über das sozialistische Misstrauensvotum gestürzte Mariano Rajoy an der Spitze der konservativen Partido Popular (PP) gehandelt wird. Auch mit den rechtsliberalen Ciudadanos (Cs) hat Calviño ein gutes Verhältnis. Cs brachte Calviño vor wenigen Wochen als Präsidentin der spanischen Notenbank ins Gespräch.

Calviño gilt als pragmatisch und als harter Gegnerin bei Verhandlungen. Die Haushaltsdisziplin ist mit ihr wohl kaum aufzuweichen, auch nicht wenn es um den Sozialhaushalt geht. Dafür wird sie bereits im Voraus von den meisten Zeitungen Spaniens gelobt. Doch die wichtigste Unterstützung erhielt Calviño von Frau zu Frau. „In einem entscheidenden Moment für die Europäische Union, @NadiaCalviño als unsere neue Wirtschaftsministerin zu haben, ist eine Garantie dafür, dass Spanien sein Gewicht in den europäischen Institutionen ausbaut. Herzlichen Glückwunsch Nadia“, twitterte niemand geringeres als Ana Botín, Chefin des größten Finanzinstituts Spaniens und der Nummer 3 weltweit, der Banco Santander./Foto: La Moncloa

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