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Das Erbe des Diktators wahren

 

Ein Video sorgt für Aufregung in Spanien. Die Nationale Stiftung Francisco Franco (FNFF) feierte den 79. Jahrestag des Endes „des Kreuzzuges für die Befreiung“. Im Video erklingt zu den Tönen der Nationalhymne einmal mehr die Ansprache des „Generalisimo“ zum Ende des Bürgerkrieges am 1. April 1939. „Heute, mit der Armee der Roten in Gefangenschaft und entwaffnet, haben die Truppen der Nationalen ihre letzten militärischen Ziele erreicht. Der Krieg ist vorbei.“

Die FNFF gedenkt damit dem „Tag des Sieges“, als die faschistischen Truppen unter General Francisco Franco nach knapp drei Jahren Bürgerkrieg in Madrid einrückten. Republik und Demokratie, waren endgültig Geschichte. Es sollte eine der blutigsten Etappen in der spanischen Geschichte folgen. Rund 200.000 Demokraten, Linke und Gewerkschafter wurden gejagt, ohne Gerichtsverfahren erschossen und irgendwo verscharrt. Die Diktatur dauerte fast 40 Jahre.

23. Oktober 1940: Der spanische Diktator Franco und der deutsche Diktator Hitler auf dem Bahnhof von Hendaya. /Foto: Heinrich Hoffmann

Die Empörung über das Video ist groß. Sozialisten, die linksalternative Podemos sowie Parteien aus dem Baskenland und Katalonien fordern das Verbot der Stiftung. Sie stelle „ein Attentat auf die Würde der Opfer“ dar, und „verbreite Hass“. „In Deutschland oder Italien wäre eine ‚Hitler-Stiftung‘ oder eine ‚Mussolini-Stiftung‘ undenkbar“, heisst es in einer Online-Petition gegen die FNFF, die bisher von über 230.000 Menschen unterzeichnet wurde.

Das Ziel der 1976 gegründeten FNFF ist ganz offiziell „die „Projektierung der Ideen“ des Diktators „auf die Zukunft des Lebens in Spanien“, „die Figur Franco zu loben“ und „sein Erbe zu wahren“. Der spanische Staat unterstützt die Stiftung, der mit Juan Chicharro ein General im Ruhestand und ehemaliges Mitglied des königlichen Stabes von Juan Carlos I. vorsteht, dabei. Die FNFF erhielt in den Jahren 2000 bis 2003 150.000 Euro Subventionen. Spenden können von den Steuern abgesetzt werden. Denn die Franco-Stiftung ist, ebenso wie Ärzte ohne Grenzen und andere Hilfsorganisationen, als gemeinnützig anerkannt.

„Die Leute können denken, was sie wollen, aber der Staat kann nicht die Finanzierung einer Organisation ermöglichen, deren Arbeit darin besteht, einen Diktator zu verherrlichen“, beschwert sich Emilio Silva, Gründer der Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH). „Es ist völlig unverständlich, dass eine solche Organisation als gemeinnützig eingestuft wird“, erklärt er. Seine ARMH, die die Interessen der Opfer von Bürgerkrieg und Diktatur verteidigt, hat zweimal erfolglos die Gemeinnützigkeit beantragt.

Bis heute ziert ein Triumphbogen zu Ehren jenes 1. April 1939 eine der Zufahrten der Hauptstadt. Nur wenige hundert Meter entfernt liegt die Universität Complutense, an der Juan Carlos Monedero Politikprofessor ist. „Die Stiftung Francisco Franco verherrlicht den größten Mörder den Spanien je gesehen hat“, schreibt der Mitbegründer der linksalternativen Podemos in seinem Blog „Comiendo Tierra“ (In den Dreck beißen). „Im neuen Haushalt der PP, der von Ciudadanos unterstützt wird, finden sich Null Euro für die Exhumierung der Opfer“, beschwert er sich. Rajoy streicht im achten Jahr in Folge alle Zuwendungen für die Suche der noch immer mehr als 100.000 Verschwundenen, die seit dem Bürgerkrieg und den ersten Jahren der Diktatur in Massengräbern und Straßengräben liegen. Die Stiftung Francisco Franco habe mit dem Video vom 1. April, „mit dem Geld, das die PP für die Exhumierung von Opfern gestrichen hat, erneut auf diejenigen geschossen, die die Republik verteidigten“. Während die Opfer leer ausgehen, finanziert der Staat nicht nur die FNFF, sondern renovierte auch das Grabmal des Diktators, eine in Fels gehauenen Kathedrale bei Madrid, für 1,8 Millionen Euro.

Spaniens Rechte will von Vergangenheitsbewältigung nichts wissen. Rajoys PP stimmt immer wieder gegen die Verurteilung des Staatsstreiches gegen die Republik, der zu Bürgerkrieg und Diktatur führte. Und die rechsliberalen Ciudadanos verließen bei einer Abstimmung zum Thema den Plenarsaal des katalanischen Parlaments.

Doch auch die Sozialisten gingen bisher zaghaft mit dem traurigen Erbe Spaniens um. Erst vor wenigen Wochen stimmte die PSOE gegen die Zulassung einer Parlamentsdebatte auf Antrag von Podemos, die zum Ziele hatte, die Amnestie aus dem Jahre 1977 für die Schergen des Franco-Regimes ausser Kraft zu setzen. Die Täter derMenschenrechtsverletzungen in der Diktatur sollten endlich belangt werden können. Die Amnestie sei „eine der Stützpfeiler des Übergangs zur Demokratie“ und deshalb unantastbar, begründeten die Sozialisten ihre Haltung.

Der größte Beitrag der Sozialisten zur Vergangenheitsbewältigung ist das Gesetz zum historischen Gedenken aus dem Jahr 2007 von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero. Auch wenn es den Staatsstreich von 1936 und das Franco-Regime nicht ausdrücklich als rechtswidrig bezeichnet, wurde endlich der Opfer gedacht. Es flossen – bis Rajoy an die Regierung kam – öffentliche Gelder, um Massengräber zu suchen. Und überall im Land werden nach und nach die über 1.400 Straßen umbenannt, die noch immer den Namen Francos, seiner Generäle und Anhänger tragen. Zumindest dort, wo dies die politischen Mehrheitsverhältnisse zulassen.

Denn PP und Ciudadanos stimmen immer wieder gegen solche Namensänderungen. Das würde die Bevölkerung entzweien, heißt eine der Begründungen. Die FNFF geht gar vor Gericht. Nicht immer mit Erfolg, wie der Fall der Hauptstadt Madrid zeigt. Die Richter gaben Bürgermeisterin Manuela Carmena recht. 52 Straßen werden dieser Tage umbenannt.

„Beim Übergang zur Demokratie gab es keinen Konsens, sondern der moderate Teil des Franco-Regimes zwang der demokratischen Opposition bestimmte Lösungsansätze auf“, schreibt Cándido Marquesán Millán, Autor für Geschichtsthemen der gewerkschaftsnahen Online-Zeitung Nueva Tribuna. Anders als in Deutschland oder Italien wurde die Diktatur in Spanien nie besiegt, weder von Aussen noch von Innen. Diktator Francisco Franco starb am 20. November 1975 im Alter von 82 Jahren im Kreise der Seinen im Bett – ein Privileg, das viele Hunderttausende seiner Gegner nicht zu teile wurde.

„Festgezurrt und gut festgezurrt“, hinterließ Franco sein Land. König Juan Carlos I der fortan Staatschef war, hatte noch unter dem „Generalisimo“ Treue auf die Werte der Diktatur geschworen. Ein radikaler Bruch blieb aus. Stattdessen kam die „Transición“, der langsame Übergang zur Demokratie. Wer einflussreich war, blieb es auch. Viele Anhänger und hohe Funktionäre der Diktatur fanden ihre neue politische Heimat in der Alianza Popular von Francos Informationsminister Manuel Fraga Ibarne, aus der später die Partido Popular (PP) des heutigen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy hervorging.

Mangels Vergangenheitsbewältigung halten sich viele Mythen über den Diktator. So definiert das biographische Lexikon der Königlichen Akademie für Geschichte Franco und sein Regime als „autoritär, aber nicht totalitär“. Franco „wurde schnell berühmt, dank seines kalten Mutes auf dem Schlachtfeld“, steht da unter anderem zu lesen. Massenmord und Repression werden ausgespart.

„Franco wurde immer als genügsamer Mann, der sich nichts aus Geld machte, dargestellt“, beschreibt der Historiker Ángel Viñas, einen anderen Mythos, der sich an vielen Geschichtsfakultäten hält. Viñas widerspricht dem in seinem Buch „Das andere Gesicht des Caudillo“. Es zeigt auf, wie der Diktator in nur wenige Jahre vom Habenichts zum Multimillionär wurde. Der General und sein familiäres und politisches Umfeld bereicherten sich an Importen und an humanitären Spenden, ließen die Bevölkerung unter Druck setzen, damit sie dem „Caudillo“ (Führer) „großzügige Geschenke“ machte. So etwa ein historisches Landgut in seiner Heimat Galicien, der Pazo de Meiras. Diese Immobilie gehört bis heute der Franco-Familie. Einmal die Woche führt die FNFF Besucher durch die Räume und lobt die Verdienste des „Generalisimo“, der bis heute „im Mittelpunkt der spanischen Politik“ stehe.

Die Forderung der spanischen Linken, man möge den Pazo enteignen, lief ebenso ins Leere, wie die, der Franco-Familie den Herzogtitel abzuerkennen, der ihr 1975, sechs Tage nach dem Tod des Diktators, von König Juan Carlos I verliehen wurde. „Der Titel führt zu keinerlei Privilegien“, erklärt Justizminister Rafael Catalá anlässlich einer parlamentarischen Fragestunde. Es sei ein „reiner Ehrentitel“. „Ehrung der Straffreiheit in einer entführten Demokratie“, urteilt ARMH-Chef Emilio Silva erbost.

Was bisher geschah: