Wer hoffte, die Zwangsverwaltung durch Madrid, die Absetzung der Regierung von Carles Puigdemont sowie die Anordnung von Neuwahlen würde die Lage in Katalonien beruhigen, der muss spätestens nach der Wahl von Joaquim Torra zum neuen katalanischen Ministerpräsidenten einsehen, dass dem nicht so ist. Die Lage hat sich gar verschärft: Druck erzeugt noch mehr Gegendruck.
Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy ließ wertvolle Zeit verstreichen. Statt auf Verhandlungen – und damit auf Politik – setzte er zuerst auf einen brutalen Polizeieinsatz am 1. Oktober, dem Tag des Unabhängigkeitsreferendums, und dann auf die Justiz. „Rebellion“ und „Veruntreuung“ werden Puigdemont, vier seiner ebenfalls im Exil lebenden Minister sowie sieben inhaftierten Politikern und Aktivisten vorgeworfen. Wer sieht, wie schwer sich die deutsche, belgische und schottische Justiz mit den entsprechenden Auslieferungsanträgen tut, der weiß, wie weit diese Vorwürfe aufgebauscht wurden, um „die Unabhängigkeitsbewegung zu enthaupten“, wie Rajoys Stellvertreterin einst erklärte.
Sicher erhoffte sich Rajoy von seiner Haltung einen Sympathiegewinn im restlichen Spanien. Doch weit gefehlt. Die wesentlich radikaleren Ciudadanos können von der Lage in Katalonien und vom unermüdlichen Schüren des Konflikts profitieren. Die sich selbst als liberales Zentrum definierende Partei geht mittlerweile so weit zu fordern, dass die Zwangsverwaltung auch mit einer neuen Regierung aufrechterhalten werde. Liberalismus sieht anders aus.
Es bleibt nur ein Ausweg, und der heißt Dialog. Wenn sowohl die Politiker in Barcelona als auch die in Madrid weiterhin unfähig sind, aufeinander zuzugehen, dann ist wohl Vermittlung nötig. Und diese Rolle fällt Europa zu. Bisher zierte sich die Union, um den Konflikt nicht zu internationalisieren. Aber spätestens seit den Auslieferungsanträgen gegen Puigdemont und Co ist das Katalonienproblem auch ein deutsches, belgisches, schottisches und damit europäisches Problem.