© 2018 Reiner Wandler

Wasser ist Reichtum

In Spanien herrscht die schlimmste Trockenheit der letzten 25 Jahre. Trotz anhaltender Regenfällen in den vergangenen Wochen sind die Wasserreserven in 80 Prozent des Landes weit unter der durchschnittlichen Füllmenge der Stauseen in den letzten zehn Jahren. Besonders hart betroffen ist, neben der Mittelmeerküste, Zentralspanien. Dort ist das Problem nicht nur der die Trockenheit, sondern die ständige Überführung von Wasser aus den beiden großen Stauseen Buendía und Entrepeñas am Oberlauf des Flusses Tajo per Pipelines und Kanäle in die Obst- und Gemüseanbaugebiete an der Mittelmeerküste.

Unter dem Motto „Verteidigen wir den Garten Europas“ demonstrierten Anfang des Monats 50.000 Landwirte vor dem spanischen Landwirtschaftsministerium in Madrid. Sie waren mit Bussen aus Alicante, Murcia und Almeria angereist. Sie wollen noch mehr Wasser. Es ist ein Verteilungskampf um das rare Nass und damit um Reichtum.

„Verheerend“ seien die Auswirkungen der Wasserüberführung aus dem Zentrum Spaniens ans Mittelmeer, heisst es in einer Studie der Universität in Castilla – La Mancha, der Region in denen die beiden Stauseen Buendía und Entrepeñas liegen. Die in den 1950er Jahren versprochene wirtschaftliche Entwicklung der Anrainer blieb aus. Bewässerungsanbau wurde nie genehmigt. Und die wenige touristische Infrastruktur, die in an den beiden Stauseen entstand, ist dank des Wassermangels längst Geschichte.

Alleine vom Mai 2015 bis Mai 2017 wurden die Kanäle 23 mal geflutet, bis sich im vergangenen Sommer nur noch schlammiges Wasser – etwas mehr als 10 Prozent der gesamten Füllmenge – in Buendía und Entrepeñas befanden. Die Regionalregierung in Castilla – La Mancha klagte jedes Mal dagegen, doch die Richter lassen sich Zeit.

Die halbverlassenen Dörfer in der Gegend müssen mit Wasser aus Tanklastern versorgt werden. Der Tajo selbst verlor Durchflussvolumen. Die Verschmutzung des Flusses nimmt ständig zu. „Das Wasser ist eines der wichtigsten Probleme“, weiss auch der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy. Er redet viel von einem „Nationalen Wasserabkommen“ ohne jedoch konkret zu werden. In der Region Murcia gewinnt seine Partido Popular (PP) die Wahlen, in Castilla – La Mancha regieren die Sozialisten zusammen mit der linksalternativen Podemos. Beim Wasser geht es auch um Wählerstimmen.

Während die Landwirte aus der Mittelmeerregion Richtung Norden schauen und fordern, dass der Fluss Ebro für sie angezapft wird, verlangen Umweltschutzorganisationen, dass die Bauern mit den eigenen Ressourcen auskommen. Vor allem in der Region Murcia gibt es auch unterirdische Ströme, die ins Meer fließen. Würden diese angezapft, hätte die Region gar Wasserüberschuss. Es sei möglich bereits in drei Jahren ohne Überführung aus Zentralspanien auszukommen, rechnet Greenpeace vor. „Zuzugeben, dass es genug unterirdisches Wasser gibt, wäre ein Problem für diejenigen, die vom‚ Geschäft mit der Trockenheit leben“, erklärt die Umweltschutzorganisation und meint damit die Großunternehmen, die Entsalzungsanlagen an der Küste errichten und betreiben, sowie Kanäle, Staumauern und Pipelines warten und bauen.

Spanien ist kein Einzelfall. Der gesamte Mittelmeerraum leidet unter der Trockenheit, ganz extrem Nordafrika. In Marokko macht die Landwirtschaft 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus. 40 Prozent der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Monarch Mohamed VI. ruft zum Gebet für Regen. Doch der wird Jahrzehnt für Jahrzehnt weniger und die Grundwasservorkommen werden schneller leergepumpt, als sie sich regenerieren können. Viele Flächen, auf denen einst ohne Bewässerung Getreide angebaut wurde, produzieren heute Gemüse und Obst für die ständig zunehmende Stadtbevölkerung und für den europäischen Markt. Das bringt mehr Gewinne, braucht aber auch mehr Wasser. Selbst Unternehmen aus Südspanien haben ihre wasserintensive Erdbeerproduktion auf der anderen Seite des Mittelmeeres ausgebaut.

Klimaforscher warnen. Die Niederschläge werden im Mittelmeerraum immer weiter zurückgehen, die Temperaturen werden steigen. Nordafrika und damit Marokko werden stärker betroffen sein, als andere Regionen. Extreme Regenfälle, wie in den vergangenen Wochen werden zunehmen. In Marokko, aber auch in Spanien, wird immer mehr Land zur Wüste. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Wasser und landwirtschaftlichen Produkten. Marokkos Bevölkerung hat sich seit der Unabhängigkeit 1956 mehr als verdreifacht.

Was bisher geschah: