„Wenn wir stillstehen, steht die Welt still“, lautete das Motto des „feministischen Streiks“ gegen Benachteiligung am Arbeitsplatz, gesellschaftliche Diskriminierung und häusliche Gewalt am gestrigen Frauentag in Spanien. Kleinere Gewerkschaften schlossen sich dem Aufruf der Frauenbewegung an. Die beiden großen, UGT und CCOO, zeigten sich zögerlicher. Sie mobilisierten nur zur einer zweistündigen Arbeitsniederlegung. Doch die Basis entschied meist anders und blieb der Arbeit ganz fern. Die Frauen wurden auch dazu aufgerufen, zu Hause weder zu putzen, Kinder und Alte zu pflegen oder zu kochen.
Hunderte von Zügen U-Bahnen und Busse fuhren laut Verkehrsministerium nicht. Die Müllabfuhr in Madrid funktionierte nur eingeschränkt. In Barcelona blockierten die Streikenden die wichtigsten Zufahrten.
In den wichtigsten Radiosendern waren nur männliche Sprecher zu hören, die Redaktionsräume beim staatlichen Fernsehen blieben weitgehend leer. Eines der beliebtesten Morgenprogramme auf einem Privatsender fiel aus. Die Moderatorin hatte sich ebenfalls dem Streik angeschlossen. Viele Schulen und Fakultäten an den Universitäten schlossen mangels Personal.
Gründe für den Ausstand gibt es genügend. Frauen verdienen, je nach Studie bis zu 23 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. 75 Prozent der Teilzeitarbeitsplätze sind von Frauen besetzt. Nur 50 Prozent der arbeitslosen Frauen erhalten Stütze. Bei den Männern sind es 60 Prozent. Ausserdem haben nur knapp 38 Prozent der Frauen einen Rentenanspruch, bei den Männern sind es 62 Prozent. Die Renten der Frauen liegen 57 Prozent unter denen der Männer. 42 Prozent der Alleinerziehenden leben an oder unter der Armutsgrenze. 81 Prozent davon sind Frauen.
Über 300 Kundgebungen fanden in ganz Spanien statt. So zum Beispiel um 12 Uhr vor dem Rathaus in Madrid. Neben Bürgermeisterin Manuale Carmena nahmen auch Mitglieder des Stadtrates teil. Auch im spanischen Parlament sagten viele Politikerinnen ihre Termine ab. Selbst Königin Letizia hatte ihren Kalender vollständig geleert. Laut Umfragen glauben 82 Prozent der Spanier, dass der Streik gerechtfertigt sei.
Die rechtsliberalen Ciudadanos (C‘s) unterstützen den Streik nicht, weil er „antikapitalistisch“ sei. Und Vertreterinnen der konservativen Regierungspartei Partido Popular empfahlen den Frauen „eine japanischen Streik“. So etwa die Chefin der Regionalregierung in Madrid Cristina Cifuentes, die erklärte am Frauentag noch mehr arbeiten zu wollen als sonst.
„Das ist eine Beleidigung, wir arbeiten doch eh schon rund um die Uhr, am Arbeitsplatz und dann auch noch zu Hause“, sagt Lurdes Merino, die zur Kundgebung gekommen ist. Die 57-Jährige ist beim Gepäckdienst auf dem Flughafen. Sie fährt Eletrokarren oder schlupft in die Ladeluken, um Koffer zu stapeln. „Das ist ein sehr machistischer Bereich“, erklärt sie. Nur wenige Frauen würden dort arbeiten. In einigen Flughäfen würden sogar nur Männer eingestellt.
„Der Streik ist ein großer Schritt nach vorn“, sagt Merino. Sie streikt die komplette Schicht, auch wenn ihre Gewerkschaft, die CCOO, nur für zwei Stunden mobilisiert. „Der Erfolg der Frauenbewegung hat alle überrascht“, meint sie zum Verhalten ihrer Gewerkschaft.
„Ich hoffen, dass die Diskriminierung auch nach dem Frauentag ein Thema bleibt“, sagt die 29-jährige Vorschullehrerin Sandra García. In den Schulen arbeiten wesentlich mehr Frauen als Männer, darum gibt es auch weibliches Führungspersonal. Doch García geht es nicht nur um die Arbeitsbedingungen, „sondern um die effektive Gleichstellung, auch im Privatleben“.
Anders als García spürt die 47-jährige Teresa Molina das Glasdach. Sie ist Informatikerin bei einem multinationalen Software-Unternehmen. „In der Führungsetage gibt es fast nur Männer“, beschwert sie sich. „Auch wenn der Streik ein Durchbruch darstellt, liegt noch ein langer Weg vor uns.“ Am Abend wird sie in Madrid auf eine der überall in Spanien angekündigten Großdemonstrationen gehen.