© 2017 Reiner Wandler

Rajoy in Korruptionsverfahren als Zeuge vor Gericht

 

Es ist wohl das Foto des Jahres und zugleich das Bild, das Spaniens Konservativen am meisten fürchteten. Ministerpräsident Mariano Rajoy wird heute als Zeuge vor dem spanischen Sondergericht für Terrorismus und organisiertes Verbrechen, der Audiencia Nacional, vernommen. Er muss zur illegalen Finanzierung seiner Partido Popular (PP) Stellung beziehen. Das Gericht, das in einem für den Mammutverfahren eigens eingerichteten Saal in San Fernando, einem Vorort von Madrid tagt, verhandelt seit Oktober die PP-Finanzen von 1999 bis 2005. Ein weiteres Verfahren zum Zeitraum 2005 bis 2009, als ein Korruptionsnetzwerk rund um die PP aufflog, ist in Vorbereitung. Ermittlungen und Verfahren sind in Spanien unter dem Codenamen „Gürtel“ bekannt. Es ist die Übersetzung des Nachnamens des Gehirns der Parteimafia, Francisco Correa.

Rajoy ist der erste amtierende, spanische Regierungschef, der vor Gericht erscheinen muss. Er hatte bis zum Schluss versucht, seinen Auftritt vor Gericht zu verhindern. Er schlug vor, per Videokonferenz auszusagen. Die Richter lehnten dies ab. Rajoy sei „nicht als Ministerpräsident, sondern als normaler Bürger“ geladen, beschied das Gericht. Als Zeuge ist Rajoy verpflichtet, alle Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten.

Rajoy hatte im fraglichen Zeitraum hohe Ämter in Partei und Regierung inne. Unter dem damaligen Regierungschef und PP-Präsidenten José María Aznar war er Minister in unterschiedlichen Ressorts, sowie Vize-Generalsekretär und Generalsekretär der PP. 2004 löste Rajoy Aznar an der Parteispitze ab. Das Netzwerk Gürtel ließ mindestens 863 Millionen Euro in die PP-Kassen fließen.

Das System war einfach. Wer einen öffentlichen Auftrag wollte, zahlte, ob in PP-regierten Gemeinden, Regionen oder auf nationaler Ebene. So manches Gemeindegrundstück wurde an eines der unzähligen Unternehmen von Francisco Correa verkauft. Dieser handelte dann zu überhöhten Preisen damit und zeigte sich bei der PP erkenntlich. Außerdem nahm Correa öffentliche Aufträge an, kassierte zu hohe Preise von den Gemeinden. Auch dieses Geld ging an die PP.

Correas Unternehmen organisierten die Wahlkämpfe der PP, die Prunkhochzeit der Tochter Aznars oder Kindergeburtstage für Minister, zahlten Reisen und teure Autos für mehrere Bürgermeister. Correa, genannt „Don Vito“, drohen 125 Jahre Gefängnis.

PP-Schatzmeister Bárcenas verteilte dank der Schwarzgeldkasse an hohe Parteifunktionären großzügige Zusatzgehälter. Rajoy soll sich unter den Begünstigten befinden. Bárcenas ist einer der Hauptangeklagten.

Unter den mehr als 300 Zeugen befinden sich neben Rajoy mehrere Minister Aznars. Einer von ihnen ist der ehemalige Wirtschaftsminister und IWF-Chef Rodrigo Rato. Er steht auch als ehemaliger Chef der bankrotten Bankia, das Geldinstitut rund um die Madrider Sparkasse, vor dem Kadi. Dort soll er sich großzügig bedient haben.

Der Fall Gürtel ist nur einer von insgesamt 65 Korruptionsfällen gegen die PP und ihre Amtsträger, darunter mehrere Ex-Minister und einstige Präsidenten verschiedener Regionalregierung wie Madrid, Valencia oder Murcia. Alle vier ehemaligen Schatzmeister sind angeklagt. Insgesamt soll die Korruption die Spanier – so eine Studie mehrerer Universitäten und der nationalen Kommission für Märkte und Wettbewerb – seit den späten 1990er Jahren jährlich 87 Milliarden Euro gekostet haben. Alleine die Korruption rund um Auftrage der öffentlichen Hand beläuft sich demnach auf 48 Milliarden jährlich. Das sind 4,5 Prozent der BIP.

Was bisher geschah: