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Junior und die Familie

 

Oriol Pujol Ferrusola, Jordi Pujol, Marta Ferrusola/ Foto: CDC

„Junior“ in Untersuchungshaft – die Nachricht verbreitete sich am Dienstag Nachmittag in Windeseile in Katalonien. Jeder in der nach Unabhängigkeit strebenden nordostspanischen Region kennt Jordi Pujol Ferrusola unter dem Namen „Junior“. Der 59-Jährige ist der älteste Spross von Jordi Pujol, dem Mann, der 23 Jahre (1980-2003) die Geschicke der Autonomieregierung Kataloniens lenkte und die Region prägte, wie wohl kein anderer Politiker. Jetzt wird gegen ihn, seine sechs Geschwister und den berühmten Vater und die Mutter ermittelt. Der Grund: Der Clan Pujol hat eine riesiges Vermögen angehäuft und es unter anderem in Andorra vor den spanischen Steuerbehörden versteckt haben. Junior verschob immer wieder Beträge.

Mindestens 30 Millionen Euro sollen er bewegt haben. Das oberste, spanische Strafgericht, die Audiencia Nacional in Madrid, ermittelt wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Die Familie würde wie „eine kriminelle Gruppe“ funktionieren, heisst es von Seiten der Ermittler. Pujol Junior habe sich im Laufe der Ermittlungen „immer wieder von Vermögenswerten und Finanzprodukten getrennt, und allerlei Aktivitäten eingeleitet, um Vermögen vor den Behörden zu verstecken“, lautet die Begründung für die U-Haft.

Gestern (Mittwoch) durchsuchte die Polizei die Wohnungen und Büros von Vater und Sohn. Die Antikorruptionsstaatsanwaltschaft versucht nachzuvollziehen, woher das Geld kommt. Aus einer Erbschaft des Großvaters, lautet die offizielle Antwort. Doch die Richter glauben das nicht. Sie vermuten, dass Vater Pujol in all den Jahren an der Macht die Hand aufgehalten hat und Unternehmen seiner Kinder Aufträge zugeschoben hat.

So war zum Beispiel Junior Vizepräsident eines Unternehmens, das beim Flughafenbau in Barcelona 1991 100.000 Quadratmeter Marmor lieferte. Der Preis war überhöht, die Qualität minderwertig. Nur zehn Jahre später musste Bodenbeläge und Wandverkleidungen erneuert werden. Als Convergència i Unió (CiU), die Partei seines Vaters, die Wahlen verlor, zog Junior mit seinen Unternehmen nach Mexico. Als CiU wieder gewann, kam er zurück. In einem anderen Verfahren wird gegen die Partei, die mittlerweile aufgelöst und in eine die Demokratische Partei Kataloniens überführt wurde, wegen illegaler Finanzierung ermittelt. 3 bis 4 Prozent Kommission bei öffentlichen Aufträgen sollen geflossen sein. Ob ein Teil davon bei den Pujols landete, werden die Ermittlungen erbringen müssen. Die CiU-Nachfolgepartei regiert immer noch in Katalonien und ist der Motor der Unabhängigkeitsbewegung.

Doch damit nicht genug. Auch andere Familienmitglieder waren dank ihres Namens gut im Geschäft. Der fünftgeborene Oriol Pujol soll sich bei der Vergabe von Lizenzen für die ITV, die ähnlich dem deutschen TÜV Autos überprüft, bereichert haben. Und auch private Unternehmen bedachten die Pujols großzügig. So hat die Gärtnerei in der die Mutter des Clans, Marta Ferrusola, im Vorstand saß, Rollrasen für das Stadion des FC Barcelona geliefert. Auch er musste wegen mangelnder Qualität teilweise erneuert werden.

Die Ermittlungen gegen Pujol Junior begannen kurz vor Weihnachten 2012, mit den Aussagen seiner Ex-Freundin Victoria Alvárez. Sie berichtete von häufigen Reisen in teuren Sportwägen nach Andorra. Immer dabei, Taschen und Rucksäcke voller 500-Scheine. Seit 2014 gilt Junior offiziell als Beschuldigter. Die Richter hatten zuvor nachweisen können, das neben Junior auch andere Familienmitglieder Konten in Andorra unterhalten und ein reger Geldverkehr zwischen ihnen stattfand.

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Meine Meinung

Alles das Gleiche

Ein Nationalsymbol fällt. Die Familie des einstigen Präsidenten Kataloniens, Jordi Pujol, ist im Visier der Justiz. Pujol und seine sieben Kinder haben ein riesiges Vermögen im benachbarten Steuerparadies Andorra geparkt und haben jetzt Schwierigkeiten, zu rechtgfertigen, woher das viele Geld kommt. Vorbei ist es mit der Oase – wie Katalonien gerne genannt wurde, da es anders als im restlichen Spanien keine großen Skandale gab.

Wenn sich die Vermutung der Ermittlungsbehörden bestätigt – erinnert das, was in Barcelona und Umland passierte nur allzu stark an die Skandale in Regionen wie Madrid, Valencia oder Murcia. Partei und Regierungsmitglieder ließen sich die öffentlichen Aufträge vergolden. Die Kassen und der private Geldbeutel füllten sich.

Warum die Presse nie ordentlich nachforschte, obwohl sowohl in Katalonien als auch in Madrid es seit mehr als zehn Jahren ein offenes Geheimnis ist, dass Kommissionen bezahlt und Gelder veruntreut werden, hat eine einfache Erklärung. Die Werbung. Autonomieregierungen, Stadtverwaltungen und öffentliche Unternehmen gaben Millionenbeträge für Kampagnen aus. So manche Zeitung finanzierte sich darüber. Die Redaktionen wussten nur zu gut, was als Gegenleistung erwartet wird. Und die Politik schaute ebenfalls weg. Du weisst nichts darüber, was ich mache und ich übersehe, was Du macht, lautete jahrzehntelang das Motto, bis die Korruption nur allzu stark zum Himmel stank und die Bestrebung der Katalanen nach einen eigenen Land den Konsens brach.

Der Fall der Familie Pujol wird schweren Schaden anrichten. Denn sollte sich auch nur ein Teil dessen bestätigen, was die Ermittlungsbehörden vermuten, wer soll dann noch glauben, dass eine unabhängiges Katalonien unter den Eliten, die in der Zeit Pujols heranwuchsen, besser und demokratischer ist als Spanien?

Der Skandal Pujol lässt nur einen Schluss zu, Katalonien ist ganz einfach Spanien. Egal ob die Sprache eine andere ist, die politische Kultur ist die gleiche.

Was bisher geschah: