© 2016 Reiner Wandler

Wird Malle russisch?

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Spaniens Nachrichten könnten schon bald wie folgt beginnen: „Es ist 21 Uhr – eine Stunde weniger auf den Kanaren – und eine Stunde mehr auf den Balearen“. Denn am Dienstag beschloss das Autonomieparlament auf den Urlaubsinseln Mallorca, Menorca und Ibiza künftig die Sommerzeit das ganze Jahr über beibehalten zu wollen. Nach der Zeitzone für die Kanarischen Inseln (GTM) und der Mitteleuropäischen Zeit (GTM+1) auf der Iberischen Halbinsel hat Spanien, sollte die Regierung in Madrid dem Wunsch nachkommen, damit seine dritte Zeitzone (GTM+2). Die Balearen, die nur ganz wenig östlich des Greenwich-Meridians liegen, würden damit – zumindest im Winter – was die Zeit angeht in unmittelbare Nachbarschaft zu Russland rücken.

„Es geht darum, einen logischen Tagesablauf zu haben und eine so wertvolle Resource wie die Sonne maximal zu nutzen“, heisst die überraschende Begründung. Doch logisch geht anders. Denn – ausser auf den Kanaren – spielt die Zeit in ganz Spanien verrückt.

Obwohl der Nullmeridian – oder Greenwich-Meridian – nicht weit von Barcelona ganz im Osten durch das Land läuft, hat Spanien anders als England oder Nachbar Portugal – Mitteleuropäische Zeit. Die Sonne steht nicht etwa um 12 Uhr am höchsten, sondern irgendwann nach 13 Uhr und mit der Sommerzeit gar noch eine Stunde später – auch auf den Balearen. Das und die Hitze im Sommer verschieben das Leben weit in die Abendstunden hinein. Gegessen wird zwischen 14 und 15 Uhr. Abendbrot gibt es ab 21 Uhr. Ins Bett geht der Spanier irgendwann nach Mitternacht. Müde Schulkinder sind nur eine der Folgen.

Das war nicht immer so. Bis 1942 hatte Spanien die gleich Zeit wie Portugal. Die Uhren gingen synchron mit der Sonne. Doch Diktator Franco stellte die Uhren um, damit sie im Gleichschritt mit Nazi-Deutschland tickten. Bis heute hat sich niemand getraut, dies rückgängig zu machen. Der Entscheid der Balearen führt das ganze jetzt endgültig ad absurdum.

Die Zeitumstellung am Wochenende fällt mit der Parlamentssitzung zusammen, die den wegen seiner Sparpolitik verhassten Konservativen Mariano Rajoy mit Duldung der Sozialisten erneut zum Premier machen wird. „Die Uhr nur um eine Stunde zurück zu stellen, ist da viel zu wenig“, heißt auf den sozialen Netzwerken.

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