© 2016 Reiner Wandler

Erpressbare Opposition

In Spanien beginnt eine neue Ära. Erstmals wird ein Premier regieren, ohne von einer Mehrheit der Abgeordneten gewählt worden zu sein. Der Konservative Mariano Rajoy wird bei jeder wichtigen Abstimmung auf Stimmensuche gehen müssen, denn er verfügt nur über 137 der 350 Abgeordneten.

Die Sozialisten (PSOE), die ihn am Samstag im zweiten Wahlgang per Enthaltung zur neuen Amtszeit verhelfen werden, kündigten bereits an, ab Montag Opposition zu sein. Doch so einfach wird das nicht. Die Enthaltung zugunsten des Premiers hat die Partei gespalten, so mancher Wähler wendet sich enttäuscht ab. Schließlich ist Rajoy nicht irgendwer, sondern für das im PSOE verhasste Sparprogramm der vergangenen Jahre verantwortlich. Seine Partei ist zudem seit Jahren mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert.

Doch genau diese Schwäche ist Rajoys Stärke, so absurd das klingen mag. Der PSOE krönte ihn aus Angst vor erneuten Wahlen und damit verbundenen weiteren Stimmenverlusten. Das kommt Rajoy nun zugute. Lassen die Sozialisten Rajoy scheitern, ob beim Haushalt oder bei weiteren Reformen, kann dieser das Parlament auflösen. Hinzu kommt der Druck aus Brüssel. Spanien muss dort seinen neuen Haushalt vorlegen. Mehr als fünf Milliarden Euro sollen 2017 eingespart werden, in den kommenden Jahren müssen weitere zehn Milliarden folgen.

Rajoy wird von den Sozialisten dann erneut Verantwortung für Spanien einfordern. Wer diese Logik einmal akzeptiert hat, wird erpressbar. Denn eine Parlamentsauflösung würde die so gefürchteten dritten Wahlen bedeuten. Die Wähler vergessen nicht so leicht und würden die Sozialisten dann wohl abstrafen. Rajoy weiß das und die Sozialisten auch. Um Zeit zu gewinnen, werden sie sich wohl noch öfter enthalten müssen. Rajoy hält die Pfanne am Stiel, wie der Spanier zu sagen pflegt, wenn jemand Herr der Lage ist.

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