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Algerien: Proteste gegen Fracking

insalah

So etwas hat Algerien noch nicht gesehen. Seit dem Jahreswechsel gehen täglich Tausende Menschen in In Salah – mitten in der Sahara – gegen ein Fracking-Projekt auf die Straße. Es ist die erste große Umweltbewegung im nordafrikanische Land, das hauptsächlich von Öl- und Gasexporten lebt. 70 Milliarden Dollar sollen investiert werden, um dem Schiefergestein das dort eingelagerte Erdgas zu entlocken. Die Anwohner – die bereits in den 1960er Jahren mit ansehen musste, wie die französische Kolonialmacht in ihrer Wüste Atombomben testete – fürchten um ihr wertvollstes Gut, um das Grundwasser.

Algerien verfügt, so die Studien der staatlichen Öl- und Gasgesellschaft Sonatrach, rund um das 1300 Kilometer südlich von Algier gelegene In Salah, über das drittgrößte Vorkommen an Schiefergas weltweit. Direkt hinter China und Argentinien und noch vor den USA, wo seit Jahren Fracking betrieben wird.

Die Technik besteht aus horizontalen Bohrungen durch die riesige Mengen von Wasser, versetzt mit Sand und chemischen Mitteln ins Gestein gepumpt wird, um dieses aufzubrechen. Dadurch wird das eingeschlossenen Gas frei.

Der Wasserverbrauch ist enorm. Mit dem Wasser, das in eine einzige Bohrung gepumpt wird, können 500 Menschen ein Jahr lang versorgt oder 5 bis 10 Hektar landwirtschaftlicher Anbaufläche bewässert werden. Die Grundwasserschicht, die von Algerien bis nach Tunesien und Libyen reicht, könnte durch die hochgiftigen, chemischen Zusatzstoffe kontaminiert werden. Dies muss selbst die mit den Bohrungen beauftragte französische Firma Schlumberger eingestehen. Eine hauseigenen Studie zeigt, dass bei fünf Prozent aller Bohrungen in der Förderphase Wasser mit Chemikalien entweicht. Die Hälfte aller Bohrungen werden in den ersten 15 Jahren nach der Stilllegung undicht.

Genau das treibt die Menschen auf die Straße. „Wir sind keine Versuchskaninchen. Alles was wir haben ist unser Wasser“, beschwert sich die Sprecherin der Protestbewegung Fatiha Touni. Die Frackinggegner haben im Januar ein Camp mit dem Namen „Widerstand“ errichtet. Vor einer Woche kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Gendarmerie, als diese Tränengas gegen Frauen und Kinder einsetzte.

Sonatrach hat Lizenzen an die US-Firma Halliburton und an die französische Total vergeben. „Alle Energiequellen, egal ob konventioneller Art oder nicht, sind ein Geschenk Gottes und es ist unsere Pflicht, sie für die Entwicklung des Landes zu nutzen“, erklärte der altersschwache algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika als die Proteste begannen. Algerien ist bereits heute der drittwichtigste Erdgaslieferant für Europa. Mittels Fracking soll der Ausstoss erhöht und die Liefermengen ausgebaut werden, um so den Preisverfall wett zu machen.

Die Frackinggegner überzeugen all diese wirtschaftlichen Argumente freilich nicht. Denn ein Großteil des Öl- und Gasreichtums versickert seit jeher in der Korruption. Auch das Argument, die Ausbeutung der Schiefergasvorkommen werde Arbeitsplätze schaffen, zieht nicht. „Sie versprechen uns seit 50 Jahren Arbeitsplätze für die Region“, geschehen sei dennoch nicht, winkt Touni ab. Anstatt auf die Sorgen und Ängste der Bevölkerung einzugehen, werden die Protestierenden immer wieder von staatlicher Seite als „Agenten ausländischer Mächte“ beschimpft.

In mehren algerischen Städten kommt es immer wieder zu Solidaritätsaktionen mit den Bewohnern von In Salah. Vertreter verschiedener Oppositionsgruppen haben das Camp „Widerstand“ besucht. Mittlerweile hat die Armee den Frackinggegner ein Ultimatum zum Verlassen des Camps gestellt. Dies lief am Montag aus. Die Frackinggegner blieben. Es herrscht angespannte Ruhe in der Wüste. /Foto: Contre le Gaz Schiste en Algèrie

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