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Aus für Gallardón

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Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy steht vor dem „grössten politischen Fiasko der Legislatur“, so titelt die wichtigste spanische Tageszeitung El País gestern. Der Konservative musste eines seiner Starprojekte, mit der er bei den vergangenen Wahlen am rechten Rand auf Stimmenfang ging, fallen lassen: Das weitgehende Verbot der Abtreibung. Justizminister Alberto Ruiz Gallardón, der das Gesetz, dass selbst bei schweren Fehlbildungen die Frauen zur Austragung des Fötus zwingen wollte, nahm enttäuscht seinen Hut und zog sich nach 32 Jahren vollständig aus der Politik zurück. Gallardón wurde immer wieder als möglicher Nachfolger Rajoys an der Spitze der Konservativen gehandelt.

„Ich war nicht in der Lage, den Auftrag, den ich bekommen hatte, umzusetzen“, sagte er. Damit bleibt die Fristenregelung aus dem Jahr 2010 weiter in Kraft. Nur eine kleine Veränderung wird vorgenommen. Frauen zwischen 16 und 18 Jahren brauchen künftig wieder die elterliche Einwilligung für einen Abbruch. In Spanien gibt es pro Jahr rund 110 000 Abtreibungen.

Die Frage der Abtreibung war eines der Themen, mit denen die konservative Partido Popular (PP) in der Opposition ihren rechten Rand bei Laune hielt. Immer wieder unterstützte sie Demonstrationen gegen die Reform des Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero, die 2010 die Indikationsregelung durch eine Fristenregelung ersetzte. Seither ist ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten 14 Wochen auch ohne Begründung möglich. Als Rajoy 2011 die Wahlen gewann, unterstützte seine Partei diese Aufmärsche katholischer Fundamentalisten nicht mehr. Doch kam die Regierung nicht darum herum, das Wahlversprechen einzulösen.

Allerdings hatten die Konservativen die Rechnung ohne die Bevölkerung gemacht. Umfragen ergaben, dass ein Großteil der Spanier der Debatte müde sind. Rund drei Viertel sind für ein Recht auf Abtreibung, selbst bei den konservativen Wählern sind es über die Hälfte. Rajoy wägte ab und kam wohl zum Schluss, dass rechts weniger Stimmen auf dem Spiel stehen, als in der politischen Mitte.

„Gallardón hat eine Diskussion ausgelöst, die es nicht gab. Er versuchte die Frauen zu kriminalisieren“, zeigte sich die Sprecherin der „Plattform – Entscheiden zu können, macht uns frei“, Isabel Serrano, über die Rücknahme des Gesetzes zufrieden. Das Bündnis aus über 300 Organisationen, Parteien und Gewerkschaften hatte in den vergangenen Monaten immer wieder gegen die konservative Reform mobil gemacht.

Auf der anderen Seite, bei den Abtreibungsgegnern, ist von „Verrat“ die Rede. „Der Regierungschef gesteht ein, dass er nicht in der Lage ist, einen gesellschaftlichen Wandel einzuleiten“, erklärt die Organisation „Recht auf Leben“. Die PP werde dafür bezahlen, heisst es angesichts der im kommenden Jahr anstehende Kommunal-, Regional- und Parlamentswahlen. Am vergangenen Wochenende hatten die Abtreibungsgegner erneut demonstriert. Doch anders als bei früheren Aufmärschen mit Unterstützung der PP, kamen dieses Mal statt Hundetausende nur ein paar Zehntausend in ganz Spanien zusammen.

Was bisher geschah: