Die baskische Separatistenpartei Sortu hat einen leeren Stuhl an der Parteispitze: Er gehört dem Chef Arnaldo Otegi, gewählt in Abwesenheit, denn der 56-Jährige sitzt seit 2009 im Gefängnis. Er wurde zu sechseinhalb Jahren verurteilt, weil er eine neue linksnationalistische Partei gründete, nachdem die Eta-nahe Euskal Herritarrok und dann Batasuna, deren Sprecher er war, verboten worden waren.
Heute gibt es die Partei nach jahrelangem Rechtsstreit, doch Otegi ist mit vier Vertrauten weiter in Haft. „Es ist offenkundig, dass die fünf der Ursprung des Denkprozesses sind, der zu einem politischen und organisatorischen Projekt der nationalistischen Linken führte, das heute Sortu ist“, so Anwalt Iñigo Iruin.
Otegis Idee war es, eine Partei aufzubauen, die den Weg aus der Gewalt vorbereiten sollte. Er war zu dem Entschluss gekommen, dass die Attentate für den Weg in ein unabhängiges Baskenland hinderlich waren. Paradoxerweise wurde eben dieser Versuch als Projekt im Auftrag der Eta gewertet.
Vielen im Baskenland gilt Otegi als eine Art Gerry Adams: Wie der nordirische Sinn-Féin-Chef kommt auch Otegi aus dem bewaffneten Kampf. In den 1970er- und 1980er-Jahren gehörte er der terroristischen Organisation Eta an. Er floh nach Frankreich, wurde festgenommen, ausgeliefert und verbüßte mehrere Haftstrafen.
Wie Adams wandte er sich schließlich von der Gewalt ab und ging in die Politik. 1995 zog Otegi – verheiratet und Vater zweier Kinder – ins baskische Parlament ein. Immer deutlicher wurde sein Einsatz für eine friedliche Lösung.
Schließlich setzte sich diese Idee auch unter den Anhängern durch. Der politische Druck auf die Eta bewirkte schließlich, dass die Organisation den bewaffneten Kampf im Oktober 2011 – nach 55 Jahren und über 800 Toten – endgültig einstellte. Das Kommuniqué vom Wochenende über ein Ende des Militärapparates ist ein weiterer Schritt zur endgültigen Auflösung der Eta.
Auch wenn Otegi seine Haftstrafe vollständig verbüßen muss: Er wird Anfang 2016 auf freiem Fuß sein. Das Ämterverbot wird dann ebenfalls auslaufen. Es gilt als sicher, dass Otegi ein großes Comeback haben wird: als Spitzenkandidat einer Wahlkoalition rund um Sortu. Ein solches Bündnis lag bei den vergangenen Europawahlen nur knapp hinter der siegreichen konservativ-nationalistischen PNV. Die Wähler im Baskenland scheinen die Abkehr von der Gewalt – deren Vater Otegi ist – zu würdigen. /Foto: facebook.com/Arnaldo.Otegi