© 2014 Reiner Wandler

Vom Heiligen Geist verlassen

Fußballer Cristiano Ronaldo, das Gesicht der Banco Espírito Santo. 

„Was nicht dem Staat gehört, gehört Espírito Santo“, lautet in Portugal ein Sprichwort. Die Familie mit dem Namen Espírito Santo – zu deutsch Heiliger Geist – gehört die größte Geschäftsbank des südwesteuropäischen Krisenlandes. Der Banco Espírito Santo wiederum gehört ein Imperium aus Unternehmen von Autoimporteuren über Reisebüros und Hotels, bis hin zu Kreditinstituten und Versicherungen, das sich über vier Kontinente erstreckt – die Gruppe Espírito Santo (GES). Jetzt droht all das wie ein Kartenhaus einzustürzen. Denn die in Luxemburg ansässige Holding der Gruppe, die Espírito Santo International (ESI) hat am Wochenende Konkurs angemeldet. ESI hält wiederum 20 Prozent an der BES.

Seit Wochen jagt eine schlechte Nachricht die andere. Einzelne Unternehmen setzten die Zahlung von milliardenschweren Krediten aus. Der Bankchef Ricardo Espírito Santo (70) hatte Millionen an Steuern hinterzogen. In nur weingen Wochen sank die Aktie der Bank auf die Hälfte und die Gruppe verlor gar 70 Prozent an Börsenwert. Nicht nur Portugal hält den Atem an. Denn die Krise bei Espírito Santo droht die zaghafte Erholung des Landes, das gerade nach drei Jahren den EU-Rettungsschirm verlassen hat, und sich wieder selbst an den Märkten mit Geld versorgt, zunichte zu machen. Und die Börsen in Europa schauen voller Sorge auf die Kursentwicklungen.

Die Geschichte der Familie Espírito Santo hätte Hollywood nicht besser erfinden können. Der Gründer der Bank wurde 1850 in Lissabon als Neugeborener vor einer Kirche abgelegt. Er wurde deshalb auf den Namen José María Espírito Santo getauft. Mit 19 begann er Lotterielose zu verkaufen. Er deckte sich im benachbarten Spanien ein. Denn dort war die Gewinnausschüttung der Staatslotterie höher als in Portugal. Mit dem Gewinn baute er die Bank auf, die Ricardo Espírito Santo Salgado jetzt in die Krise geführt hat. Auf Druck der portugiesischen Zentralbank musste der Enkel des Gründers und alle anderen Familienmitglieder ihre Ämter an der Spitze des Finanzinstitutes niederlegen.

Mit Ausnahme der Jahre nach der Nelkenrevolution 1974, als Bank und Gruppe verstaatlicht wurden, war der Wirtschaftskoloss immer in Händen der Familie Espírito Santo. Jetzt lenken erstmals statt der „portugiesischen Rockefellers“, denen immer noch 25 Prozent der BES gehören, mit Vítor Bento ein bekannter Ökonomist und ehemaliger Banker aus der Zentralbank, sowie ein der bisherige Chef der portugiesischen Schuldenagentur João Moreira Rato die Geschicke der Bank.

Trotz einer Kapitalerweiterung von einer Milliarde Euro sinkt der Börsenkurs weiterhin. Er liegt mittlerweile noch bei einem Zehntel dessen, was die Anteile 2007, vor der Finanzkrise, wert waren.

War Portugal in den letzten drei Jahren im Auge des Finanzorkans, sind jetzt nur beschwichtigende Worte zu hören. Die Ratingagentur Moody’s, die Portugal mit ihren Berichten einst unter den Rettungsschirm trieb, sieht keine Gefahr für die Erholung der portugiesischen Wirtschaft; ebenso wie der Noch-Vorsitzende der EU-Kommission und ehemalige portugiesische Regierungschef, der Konservative José Manuel Durão Barroso. Selbst Euro-Zuchtmeister Wolfgang Schäuble gesteht zwar „Probleme“ ein. Aber „die Ansteckungsgefahr sei geringer“ als dies vor ein paar Jahren der Fall gewesen wäre, erklärt der deutsche Wirtschaftsminister in einem Interview gegenüber dem Handelsblatt.

Nur der portugiesische Präsident Aníbal Cavaco Silva ist realistischer. „Wir können nicht übersehen, dass dies Auswirkungen auf die reale Ökonomie haben wird“, erklärte er. Gleichzeitig sprach er der Politik der Zentralbank, die zur Absetzung der Familie Espírito Santo geführt hat, sein Vertrauen aus. „Die Zentralbank und ihr Gouverneur agierten in der Sache äusserst korrekt“, erklärt Cavaco Silva. Er plädiert für eine „neue Aktionärsstruktur“, während die portugiesische Linke laut über eine erneute Verstaatlichung des Imperiums nachdenkt.

Was bisher geschah: