© 2014 Reiner Wandler

Kampf ums Öl

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Die Polizei jagt Demonstranten durch die Stadt El Aaiún in der von Marokko besetzten Westsahara. Wo sie ihrer habhaft wird, kommt es zu Schlagstockeinsätzen und Verhaftungen. Diese Bilder prägen seit Wochen immer wieder das Straßenbild der Hauptstadt der ehemaligen spanischen Kolonie an Afrikas Nordwestküste, gegenüber der Kanarischen Inseln. Die Bewohner, die seit 1975 die Besatzung durch Marokko erdulden müssen, verteidigen die Bodenschätze ihres Landes. Es geht um Erdöl. Rabat vergibt Schürfrechte und das obwohl dies laut Vereinter Nationen (UNO) nicht rechtmässig ist. Der letzte Vertrag, der die Demonstrationen zu Folge hat, ging an die us-amerikanische Kosmos Energy. Die Firma mit Hauptsitz in Dallas, Texas, will ab Oktober vor der Küste nach Erdöl suchen.

„Wenn weitere Suche und Förderung ohne die Berücksichtigung der Interessen der Bevölkerung der Westsahara durchgeführt werden, ist dies eine Verletzung des internationalen Rechts“, warnte bereits 2002 der damalige UN-Subsekratär für rechtliche Angelegenheiten Hans Corell. Dessen ungeachtet hat Marokko von vier abgesteckten Suchgebieten drei an ausländische Unternehmen vergeben.

Neben Kosmos kommt auch Total unter Druck. Das französische Unternehmen hat den Vertrag aus dem Jahre 2001 im vergangenen Februar erneuert. Das könnte Total jetzt 2,06 Prozent ihres Aktienkapitals kosten. Diesen Anteil hält der norwegische Souveränitätsfond. Das Geld stammt aus der dortigen Erdölindustrie. Der Fond verfügt über 850 Milliarden Dollar und ist weltweit an 8.500 Unternehmen beteiligt. 63 Unternehmen stehen auf einer Ausschlussliste für Investitionen. Genau darauf könnte Total bald landen. Denn die Regeln des staatlichen Fonds verlangen, dass nur in Unternehmen investiert wird, die die Menschenrechte achten. „Wir beobachten die Aktivitäten der Total in der Westsahara sehr aufmerksam“, heißt es aus dem Ethikkomitee des Fonds.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die Norweger ihr Kapital aus einem Unternehmen abziehen, das in der Westsahara tätig ist. 2005 verkaufte der Souveränitätsfond seine Aktien beim US-Erdölunternehmen Kerr McGee. Es suchte dort, wo heute Kosmos aktiv werden will. Und 2011 stießen die Norweger ihre Aktien bei den Chemieunternehmen Potash Corporation Saskatchawan aus Kanada und FMC aus den USA ab. Beide bezogen Phosphat aus den Minen Bou Craa in der besetzen Westsahara.

„Die Regierung in Rabat lässt die Bevölkerung der Westsahara nicht über die Unabhängigkeit abstimmen“, beschwert sich Erik Hagen, der Vorsitzende der Westen Sahara Resources Watch (WSRW), einer internationalen NGO, die die wirtschaftlichen Aktivitäten der Besatzungsmacht beobachtet. Die Vergabe von Erdölschürfrechten sei „ein Hindernis wenn es darum geht, Marokko unter Druck zu setzen, damit dieses Recht akzeptiert wird“. Die UNO versucht seit über 20 Jahren vergebens eine solche Volksabstimmung zu organisieren und scheitert dabei immer wieder an Marokko.

Die Bodenschätze sind nicht das einzige Thema, das WSRW Sorgen bereitet. Marokko beutet auch die Fischgründe vor der Küste der Westsahara sowie die Landwirtschaft aus. Beides mit Hilfe der Europäischen Union. Dank eines Freihandelsabkommens mit Rabat gelangen Tomaten aus dem Süden des besetzen Landstriches in europäische Supermärkte.“In der Landwirtschaft werden Zuwanderer aus Marokko beschäftigt. Die Sahrauis sind weiterhin arbeitslos“, beschwert sich die WSRW.

Das gleich gilt für die Fishereiindustrie, wo über 100.000 Marokkaner Arbeit gefunden haben. Ein Fischereiabkommen mit Marokko ermöglich europäischen Fangflotten den Zugang zu Marokkos Gewässern – Westsahara inklusive. Davon profitiert ausgerechnet die ehemalige Kolonialmacht Spanien. Dies ist für die Unterstützer der Unabhängigkeitsbestrebungen der Sahrauis völlig absurd. Denn solange die Bevölkerung einer ehemaligen Kolonie nicht frei über ihre Zukunft entschieden hat, untersteht das Gebiet weiterhin der Verwaltungshoheit der ehemalige Kolonialmacht. Und das ist im Falle der Westsahara nicht Marokko, das die Ressourcen verkauft, sondern Spanien, das sie von den Besatzern mittels EU-Abkommen erstanden hat.

Was bisher geschah: