© 2013 Reiner Wandler

Olympia zum Schnäppchenpreis ?

madrid2020

Das Olympia-Team: Prinz Felipe, Bürgermeisterin Ana Botella und Regierungschef Mariano Rajoy.

„Low Cost Spiele“ heißt das Schlagwort, mit dem Bürgermeisterin Ana Botella, am Samstag das Internationale Olympische Komitee in Buenos Aires von der Kandidatur Madrids überzeugen will. „Die Stadt ist bereit. Die Investitionen sind bereits getätigt“, erklärt die konservative Politikerin und Ehefrau des ehemaligen spanischen Regierungschefs José María Aznar. Madrid präsentiere sich zum dritten Mal in Folge und sei deshalb besonders gut für 2020 vorbereitet. 80 Prozent der notwendigen Einrichtungen seien bereits gebaut. Es fehlten nur noch ein paar kleinere Sportanlagen sowie das Olympische Dorf. Weniger als 100 Kilometer Zugangsstraßen und einige U-Bahnstationen, um die Sportstätten sowie die Athleten-Wohnungen direkt anzuschließen, müssten noch gebaut werden.

Madrid das seien billige Spiele mitten in der Krise und damit „Spiele neuen Stiles“. Nur 1,5 Milliarden Euro seien noch für die ausstehenden Bauarbeiten nötig. Hinzu kommen 150 Millionen für die Sicherheit und 2,4 Milliarden für die Durchführung der Wettkämpfe. Dieser Posten soll durch Sponsorenverträge, TV-Rechte und Eintrittskarten wieder eingenommen werden. Die in Madrid noch ausstehenden Investitionen sind tatsächlich weit niedriger, als bei den beiden Mitbewerbern. Tokio veranschlagt für Baumaßnahmen 3,3 Milliarden Euro und Istanbul gar knapp 13 Milliarden.

Doch billig ist immer noch teuer, wenn kein Geld in der Kasse ist. Spaniens Hauptstadt steht mit über sieben Milliarden Euro in der Kreide. Wären nicht vor einem Jahr eine Milliarde aus dem staatlichen Rettungsfond geflossen, könnte Bürgermeisterin Botella längst nicht mehr ihre Rechnungen bezahlen, oder die Stadtbediensteten besolden. Noch diesen Herbst wird Madrid weitere 300 Millionen brauchen. Der riesige Schuldenberg ist nicht zuletzt den Baumaßnahmen zu verdanken, die ihr Vorgänger und heutige Justizminister im Kabinett von Mariano Rajoy, Alberto Rúiz Gallardón durchführte, um die Stadt für mögliche Olympische Spiele herauszuputzen. „Ab 2015 haben wir wieder die Möglichkeit zu investieren“, bekräftig Botella dennoch. Mit 75 Millionen Euro pro Jahr würden die Spiele dann zu Buche schlagen. Für den Rest würden die Region Madrid und die Zentralregierung aufkommen.

Auch wenn laut Umfragen der Stadtverwaltung 80 Prozent der Bevölkerung die Olympischen Spiele gerne in Madrid sehen würden, ist von der Begeisterung der letzten beiden Kandidaturen nicht mehr viel übrig. Verständlich, denn das Madrid der Krise ist längst nicht mehr „eine gastfreundliche, bequeme, sichere und kosmopolitische Stadt“, wie es im Bewerberdossier heißt. Mit über 20 Prozent Arbeitslosigkeit nimmt die Kriminalitätsrate zu. Polizeieinheiten sind ständig vor allen wichtigen öffentlichen Gebäuden stationiert, um soziale Proteste in die Schranken zu weisen. Alleine 2012 zählte Madrid über 3.000 größere und kleinere Demonstrationen. Die Stadt hat kein Geld mehr, um die Straßen sauber zu halten. Einwanderer ohne Papiere werden in den Gesundheitszentren nicht mehr behandelt.

„Wir sprachen uns gegen die Bewerbung für die Spiele 2016 aus. Dieses Mal haben wir nicht einmal darüber diskutiert“, erklärt der Vorsitzende des Dachverbandes der Madrider Nachbarschaftsvereine, Nacho Murgui, gegenüber der Tageszeitung El País. Sein Verein sei zu beschäftigt damit, gegen die Kürzungen von Sozialhaushalt und Zwangsräumungen von Wohnungen mobil zu machen, für Botellas konservative Partido Popular (PP) in Stadt, Region und Land verantwortlich zeichnet.

„Eine Stadt, die nicht garantiert, dass die Bewohner in optimalen Bedingungen ihrem Sport nachgehen können, verdient Olympische Spiele nicht“, haut der Sprecher der Vereinigten Linken (IU) im Stadtrat, Angél Pérez, in die gleiche Kerbe. Sporthallen verfallen, Schwimmbäder wurden geschlossen oder gar abgerissen. Nutzungsgebühren steigen. Die spanische Regierung gibt 2013 nur noch so viel für Breitensport aus, wie dies 1985 der Fall war. Die Sparpolitik schlägt sich im Ergebnis bei den Olympiaden nieder. Gewann Spanien bei den Olympiaden im eigenen Land in Barcelona 1992 22 Medaillen, waren es vor einem Jahr in London nur noch 17.

Hinzu kommen die Skandale. Die vor vier Jahren gebaute Tennishalle Caja Mágica war letztendlich nicht nur mehr als doppelt so teuer wie geplant, sondern sie steht leer. In der Multihalle, die den Wettkampf im Handball aufnehmen soll, kam es bei einem Fest vergangenen November zu einer Massenpanik und fünf Toten. Die Richter ermitteln gegen die Stadtverwaltung und die Veranstalter. Es fehlte an allem, von Sicherheitspersonal bis hin zum notärztlichen Dienst. Und in der Stierkampfarena Las Ventas stützte das eben fertiggestellte Dach ein. Dies ist nötig, um dort Basketball zu spielen.

Die spanische Poetin und Kolumnistin Ruth Toledano erinnert zudem an die Korruptionsskandale der PP, die in den letzten Jahre alle Großprojekte begleiteten. Bei der letzten Olympiabewerbung Madrids flossen 120.000 Euro in die Taschen des königlichen Schwiegersohns Iñaki Urdangarin gegen den wegen Veruntreuung von sechs Millionen Euro ermittelt wird. Im ebenfalls konservativ regierten Valencia, das die olympischen Segelregattenen beherbergen soll, finanzierte sich die PP mit Geldern aus der Formel 1 und dem Papstbesuch. „Vertrauen wir nicht denen, die Flughäfen ohne Flugzeuge bauen, Autobahnen ohne Autos … Vertrauen wir nicht, denen die Schwarzgeld in Umschlägen kassierten, den Dieben, Lügnern und Korrupten“, schreibt Toledano in einer Kolumne./Foto: Madrid2020

Was bisher geschah: