Friedhofskerzen vor dem meterhohen Absperrgitter, das seit Monaten das spanische Parlament in Madrids Innenstadt von den Bürgern abschottet … so verabschiedeten Spaniens Empörten das parlamentarische Jahr. Einmal mehr hatten sich am Donnerstag Abend Menschen aller Altersgruppen vor dem Parlament versammelt. Drinnen verabschiedeten die Abgeordneten der konservativen Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy endgültig den Sparhaushalt für das kommende Jahr. Wenige Stunden zuvor hatte das Regionalparlament in Madrid das gleiche getan. Auch hier musste die Polizei die Volksvertretung vor dem Volke schützen.
© 2012 Reiner Wandler
An der Schmerzgrenze
„Diebe, Diebe“, riefen die Menschen. Es waren Rentner, deren Bezüge nicht an die Inflation angepasst werden, Beamte, die auf ihr Weihnachtsgeld verzichten müssen, Arbeitslose – in einem Jahr Regierung Rajoy wurden täglich 1.350 Arbeitsplätze vernichtet, und Opfer der Bankensanierung, die sich hatten überreden lassen in sogenannte Vorzugsbeteiligungen zu investieren und jetzt im Zuge der Bankensanierung 12 Milliarden Euro verlieren werden, die vor dem spanischen Parlament zusammengekommen waren.
Die regionalen Proteste wurden hauptsächlich von Beschäftigten aus dem Gesundheitssystem und Schulen und Universitäten getragen. Sie demonstrierten gegen Stellenstreichungen und Privatisierung. In anderen spanischen Regionen kam es zu ähnlichen Protesten.
Es war das Ende eines Monats in dem in Spaniens Hauptstadt kaum ein Tag ohne Streik verging. Im öffentlichen Nahverkehr geht es um Arbeitsplätze und Löhne und in den Krankenhäusern, wo die Ärzte seit knapp zwei Monate nur Notoperationen und Krebsbehandlungen garantieren, gegen die Privatisierung von 27 lokalen Gesundheitszentren und sechs Kliniken. Trotz einer Million Unterschriften – bei sechs Millionen Madrilenen – hält die Regionalregierung an ihren Plänen fest. Über 100 Direktoren von Kliniken und Gesundheitszentren legten daraufhin am Donnerstag Abend nach der Abstimmung im Regionalparlament ihre Ämter nieder. Was sie am meisten empört: Die Regionalregierung erklärt immer wieder, das eine Privatisierung kosten sparen würde. Doch hat sie keinerlei Zahlen, die das belegen. Das seien „mafiöse Machenschaften, um das Geschäft mit der Gesundheit an Freunde zu verschachern“, beschweren sich die Betroffenen.
Im endgültig verabscheideten Haushalt der Zentralregierung wird erstmals mehr Geld für die Zinsen der Staatsverschuldung bereitstehen, wie für die laufenden Kosten aller Ministerien zusammen. Es sind 38 der insgesamt 124 Milliarden Euro. Das ist doppelt so viel als noch vor drei Jahren. Der Sparkurs soll verhindern, dass Spanien als ganzes unter den Eurorettungsschirm schlupfen muss. Um die Mehrausgaben zu decken, werden 58 Prozent aus weiteren Kürzungen und 42 Prozent aus neuen Steuern und Abgaben stammen.
Trotz des harten Sparkurses wird das Defizit Ende 2012 wohl höher als die versprochenen 6,5 Prozent liegen. Die Regierung hofft knapp unter sieben Prozent zu bleiben. Schuld daran sind zu hohe Ausgaben in den Regionen, die für Gesundheit und Bildung zuständig sind. Neun sind mittlerweile unter der Zinslast zusammengebrochen und haben um Hilfe beim spanischen Rettungsfond in Madrid gebeten. Weitere Regionen werden wohl Anfang des kommenden Jahres folgen. Brüssel überwacht Spanien genau. Denn Spanien hat bereits 100 Milliarden Euro genehmigt bekommen, um die Banken zu sanieren. 39 Milliarden wurden bereits überwiesen.